Freitag, 28. September 2012

Alle Dinge sind leer





Ich beschäftige mich nun schon seit langem mit dem Thema Buddhismus, wobei ich heute über die Aussage, dass alle Dinge in ihrem Kern letztendlich leer sind, d.h. in ihrem Dasein nicht unabhängig vom beobachtenden Geist sind, schreiben möchte. Da ich mich seit ein paar Wochen wieder intensiv mit dem Buddhismus befasse, habe ich meinen bisherigen Lebensweg betrachtet und in meiner Vergangenheit ein Beispiel gefunden, dass das Prinzip der Leere schön illustriert:

In meinem Leben gab es eine Zeit, in der ich mit mir selbst nicht im reinen war -- allein, deprimiert, ohne Orientierung. Im Studium ging es nicht recht voran -- die Diskrepanz zwischen dem was möglich hätte sein können und dem, was tatsächlich möglich war, war einfach zu groß (doch das ist eine andere Geschichte, die ein anderes Mal erzählt werden soll).

Damals hatte ich begonnen, mir Notizbücher zu kaufen, um all die Dinge aufschreiben zu können, die ich an "großartigen" Ideen in mir hatte. Ein Notizbuch zu kaufen verschaffte mir für einen kurzen Moment das gute Gefühl, die Möglichkeit in den Händen zu halten, etwas Großartiges erschaffen zu können. Leider hielt dieses Gefühl nur ein bis zwei Tage an.

Was also tun? Der einfachste Weg, einen Funken vom "Glück" zu erhalten, ist der, der uns von der Gesellschaft vorgeschrieben wird, nämlich ein weiteres Objekt der Begierde zu kaufen, in meinem Fall war das ein Notizbuch. Also ging es zum nächsten Laden, der Notizbücher hatte und es wurde ein neues gekauft -- ein Funken Hoffnung! Es gab schließlich noch so viel in meinem Kopf, das aufgeschrieben werden wollte.

Am Ende dieser Phase hatte ich einen ganzen Schrank voller Notizbücher, aber nur drei davon mit Notizen gefüllt. Auch heute noch habe ich mehr Notizbücher, als ich jemals werde vollschreiben können. Das bringt mich wieder zum Buddhismus zurück: Naturgemäß sind mir die Notizbücher -- wie alle Dinge, an die man sich hängt -- zur Last geworden. Die kleinen Glücksmomente habe ich damit erkauft, dass hunderte leere Seiten mich dazu auforderten, vollgeschrieben zu werden. Die Folge war, dass ich am Ende der Herausforderung, tausende Seiten vollzuschreiben, nicht mehr gewachsen war und gar nichts mehr geschrieben habe.

Im Sinne des Buddismus ist das eine klassische Anhaftung: Das Objekt meiner Begierden (das Notizbuch) wird zur Quelle für das Leid, das ich erfahre (die Unfähigkeit, zu schreiben). Der Funken Hoffnung, den ich mir zu kaufen erhoffte, hat sich am Ende als Illusion herausgestellt. Tatsächlich war da nichts, was mich hätte voranbringen können. Und auch im wörtlichen Sinne sind die Notizbücher das was dem buddhistischen Glauben nach alle Dinge sind: leer.

"Ein Lagerhaus voller Werkzeuge ist sinnlos, wenn man sie nicht nutzt"


Samstag, 22. September 2012

Prometheus – Dunkle Zeichen

Ich habe nun schon vor einiger Zeit Ridley Scotts "Prometheus – Dunkle Zeichen" gesehen und war von dem Film positiv überrascht (und das, nachdem ich die ganzen schlechten Kritiken im Internet gelesen habe). Tatsache ist: Der Film, der von Alien-Fans sicherlich nicht gemocht wird, weil so wenig Aliens darin vorkommen, funktioniert als Science-Fiction-Film erstaunlich gut (Jedenfalls besser als der überwiegende Teil der Science-Fiction-Filme der letzten paar Jahre).

Interessanterweise will Scott die Geschichte der Frau, die sich gegen eine bedrohliche (Männer-)Welt durchsetzt, anders erzählen, als er es in Alien getan hat, auch wenn das Grundgerüst der Story dasselbe geblieben ist, das uns auch schon im ersten Film begegnete. Der Unterschied ergibt sich schon aus den Hauptfiguren. Während Ripley trotz all ihrer Härte letztendlich ein passiver Charakter ist -- sie versucht lediglich, der auf ihr Schiff eingeschleppten Bedrohung zu entkommen – sucht Elisabeth  Shaw aktiv das Fremde, um es zu erkunden: Sie will entdecken. Der Unterschied zwischen Ripley und Shaw zieht sich durch den ganzen Film bis hin zur Schlusssequenz: Wo Ripley sich auf das Beiboot der Nostromo rettet, bricht Shaw (im Konstrukteursschiff!) in bester Star-Trek-Manier auf, "um fremde Welten zu entdecken, fremde Lebensformen und neue Zivilisationen", (einschließlich des Warpblitzes, mit dem das Konstrukteursschiff in den Hyperraum geht). Angetrieben wird sie von der grundlegenden Frage, die alle Forscher umtreibt: "warum?".

Es ist meines Erachtens auch nicht verwunderlich, dass der Film bei Action- und Horrorfans nicht besonders gut wegkommt, denn dafür schichtet die Erzählung zu viele Erzähl- und Bedeutungsebenen übereinander (was, wie ich weiter unten ausführen werde, als ein Manko des Films angesehen werden kann). Ich denke, dass es auch nicht in Scotts Absicht lag, Horror oder Action zu transportieren, sondern sich mit den Untiefen der menschlichen Seele zu befassen. Prometheus zeigt uns weniger, dass da draußen eine bedrohliche Welt liegt, sondern dass unser eigenes Handeln und Menschsein die Gefahr, die wir fürchten müssen, erst heraufbeschwört. Was die Crew in Gefahr bringt, sind letztendlich ihre Leidenschaften: Neugier, Angst, Gier, Arroganz usw.

Ein Beispiel dafür ist die Haltung Flitwicks, der der Expedition nur beigetreten ist, um Geld zu verdienen. Er verkörpert Geldgier und Ignoranz und es ist diese Haltung, die letztendlich das Unglück über ihn bringt. Sein Beharren auf dem Standpunkt, dass er nur seinen Job macht, sowie seine Ignoranz führen dazu, dass er sich einerseits in dem außerirdischen Gebäude verirrt und andererseits nicht die Gefahr sieht, die von den schwarzen Amphoren ausgeht. Als Folge davon wird er von den Kobra-Würmern angegriffen und dem Mutagen ausgesetzt.

Generell sind es die Männer der Expedition, die diese in Gefahr bringen – die Gefahr in "Prometheus" geht nicht von den Frauen aus! Beispiele dafür gibt es viele. Zum Beispiel ist es Holloways Leichtsinn, der die Gefahr erst heraufbeschwört. Hätte Holloway nicht den Helm seines Raumanzugs abgesetzt, sobald feststand, dass die Luft in dem Gebäude atembar ist, wäre das Mutagen in den Amphoren erst gar nicht freigesetzt worden. Später hindern ihn sein Selbstmitleid und seine Oberflächlichkeit daran, zu erkennen, das David ein falsches Spiel mit ihm treibt, was er letztendlich mit seinem Leben bezahlt.

Aber auch David besitzt (auch wenn er ein Android ist) eine Leidenschaft, die die Gruppe in Gefahr bringt: Arroganz. Er ist konstruktionsbedingt dem Menschen überlegen, was dazu führt, dass er insgeheim auf die Menschen, die seinem Schutz anvertraut sein sollten herabschaut, was so weit geht, dass er Holloway als Versuchskaninchen missbraucht. Ein wenig spielt hier auch die Frankensteinthematik von dem Geschöpf, dass sich gegen seinen Schöpfer wendet, mit hinein (doch dazu später mehr).

Ein weiteres Beispiel, dass von den Männern die Gefahr ausgeht, ist Wayland selbst, der seinen nahenden Tod nicht akzeptieren will und sich von seinen Schöpfern die Heilung seiner Krankheit verspricht. Beides ist ein Zeichen von Arroganz und Gier. Warum sollte ein überlegenes Wesen einem x-beliebigen Mitglied einer anderen Art mehr Hilfe zukommenlassen als einem x-beliebigen anderen? Man muss schon sehr von sich eingenommen sein, wenn man glaubt, dass ein Außerirdischer irgendeine Preferenz für die Hierarchien in menschlichen Gruppen hat. Seine Gier äußert sich darin, dass er sein Leben über das natürliche Maß hinaus verlängern will.

Erzählstruktur und Probleme des Films


Der Film entwickelt sich grob gesehen über drei Erzählebenen. Da ist zunächst die Präastronautische / Begegnung-mit-dem-Schöpfer-Ebene, sodann die persönliche Ebene und schließlich die Hybris-Ebene.

Die religiös-präastronautische Erzählebene ist die offensichtliche, da sie das Setting und die Optik des Films bestimmt. Die große Frage, die hier ausgewalzt wird, ist die Frage nach unserem Ursprung. Wer ist unser Schöpfer? Der interessantere Teil dieser Erzählebene schlägt sich aber in zwei anderen Aspekten nieder: Was wäre, wenn wir unserem Schöpfer von Angesicht zu Angesicht entgegentreten könnten? Und wenn dies möglich wäre, wie würde diese Begegnung ausfallen? Würden sich unsere Erwartungen erfüllen? — Der Film beantwortet diese Fragen mit einem klaren Nein. Die Schöpfer der Menschheit sind nicht gütig und ihr Verhalten findet keine Erklärung. Letztendlich bleiben die Menschen (und vorallem Shaw) mit ihren Fragen allein.

Auf der persönlichen Ebene ist der Film als Kammerspiel angelegt, da er — wofür sich ein Raumschiff anbietet, da es dort keine Möglichkeiten gibt, einander auszuweichen — eine Anzahl unterschiedlicher Charaktere auf engem Raum zusammenbringt, die zwar vordergründig ein gemeinsames Ziel haben, aber insgeheim ihre eigene Agenda verfolgen (einige sind so geheim, dass sie sich erst später im Film zeigen). Diese verschiedenen Agenden kollidieren miteinander, woraus sich ein wesentlicher Teil der Dynamik des Films ergibt.

Die dritte Erzählebene beleuchtet das Thema Hybris aus zwei verschiedenen Blickwinkeln. Zunächst einmal ist sie in der Figur Davids zu finden, die eine Variation des klassischen Frankensteinmotivs ist. David ist ein Homunkulus, ein künstlich geschaffenes Wesen, dass zu perfekt geraten ist und sich gegen seine Schöpfer wendet. Die Hybris liegt nun einerseits in Davids Wesen, als auch in der Arroganz Waylands, der David (quasi als Ersatz für den Sohn, den er nie hatte (und für den er seine leibliche Tochter vernachlässigt)) zu perfekt erschaffen hat.

Die Hybris wird aber auch auf Seiten der Konstrukteure deutlich, die von dem Kontagion getötet wurden, dass sie selbst geschaffen haben. Man kann dies auch als einen gescheiterten Versuch sehen, einen zuvor begangenen Fehler wiedergutzumachen. In diesem Falle wären die Menschen das zu gut geratene Ergebnis des überheblichen Versuchs, Leben nach dem eigenen Ebenbild zu erschaffen. Vielleicht war die Kopie zu gut geraten, als das sie nicht zur Gefahr für die Konstrukteure hätte werden können.

Beide Aspekte führen aber zum selben Ergebnis: Die Geister, die man rief, wird man nun nicht mehr loß. Die Dinge entwickeln sich anders als vorgesehen und sind nicht beherrschbar. Dabei handelt es sich natürlich um ein klassisches Motiv der Wissenschaftskritik, die schon seit den Anfängen der Industrialisierung in der Literatur ihren Niederschlag gefunden hat.

Die Probleme des Films ergeben sich nun daraus, dass diese drei Erzählebenen sich gegenseitig den Platz rauben. Alle drei Ebenen wollen erzählt sein und so irrlichtert der film zwischen den Ebenen hin und her, ohne eine davon wirklich ausbreiten zu können — er wirkt erzählerisch unentschieden. Hinzu kommt, dass ja, da es massentaugliches Kino sein soll, auch noch eine gewisse Portion Action dabei sein muss, denn ohne Spektakel verkauft sich so ein Film nicht.

Strukturell orientiert sich »Prometheus« am ersten Alien-Film, wobei dies so weit geht, dass Shaw wie Ripley im Rettungsboot des eigenen Raumschiffs von einem Außerirdischen angegriffen wird. Auch zuvor ist die Erzählstruktur recht Ähnlich: Man entdeckt einen Hinweise, geht diesem nach, entdeckt außerirdische Strukturen, schleppt einen fremden Organismus auf das eigene Schiff ein, wird von diesem bedroht, bis auf eine Person stirbt die gesamte Crew, dass Schiff wird zerstört, die weibliche Hauptfigur entkommt mit Hilfe des Beibootes.

Ein technisch beeindruckender Film, der zuviel will.


Technisch gesehen ist Prometheus neben Avatar der technisch perfekteste 3D-Science-Fiction-Film, der mir bisher begegnet ist. Er beweist zudem, dass es auch bei 3D darauf ankommt, dass die Filmmacher ihr Handwerk verstehen. In Prometheus ist das 3D als erzählerisches Mittel geschickt eingesetzt — im Gegensatz zu vielen anderen Filmen, die auf eine Anhäufung spektakulärer Effekte setzen. Prometheus gewinnt durch die Effekte, aber er braucht sie nicht. Visuell ist er so gut erzählt, dass er auch ohne 3D seine Wirkung entfalten kann (eine Eigenschaft, die er übrigens mit Avatar teilt). Das eigentliche Problem des Films ist, wie oben ausgeführt, dass er erzählerisch zu viel will. Hier wäre weniger mehr gewesen.