Samstag, 25. Januar 2014

Das Gleichnis von dem Mann, der in die Welt hinauszog, um sich einen Namen zu machen, und sich selbst fand





In einem Dorf lebte ein Mann, den es hinauszog in die Welt. Viele Jahre hatte er nun dort gelebt, jeden Tag dieselben Leute gesehen, dieselben Worte gesagt und dieselben Arbeiten verrichtet. Doch eines Tages – er hatte des Morgens die Sonne aufgehen und des abends wieder untergehen gesehen – kam ihm ein Gedanke:

Soll das wirklich alles gewesen sein?

Ich will hinausgehen und mir einen Namen machen in der Welt!

Und so legte er am nächsten Morgen seine Rüstung an. Silbern glänzte der Harnisch, als er sich auf den Weg machte. Er reiste durch viele Länder und überall, wo er einkehrte sagten die Menschen: »Seht, das ist ein großer Krieger!« So lange hörte er das Sagen, dass er selbst glaubte, was über ihn gesagt wurde. So begann er zu denken, »Ich bin ein großer Krieger!«

Doch es begab sich, dass der Mann an den Rand einer Wüste gelangte. Nicht links noch rechts gab es einen Weg, den er hätte gehen können, nur der Weg in den endlosen Sand war frei. Und weil ein Krieger niemals umkehrt (zumindest dachte er so) nahm er den Weg, der vor ihm lag. Bald schon brannte die Sonne so heiß vom Himmel, dass ihm in seiner Rüstung war, als ob er in einen Kessel kochenden Wassers gestoßen worden wäre. Stück um Stück warf er Teile seines Harnisches ab, bis nur noch der Brustpanzer übrigblieb. Doch schließlich warf der Mann auch diesen fort, und als er auf das glänzend polierte Metall schaute, da sah er nur sich selbst, sonst nichts.

Nachdem er die Wüste durchquert hatte, kam der Mann zu einem Sumpf. Und auch hier gab es keinen Weg als mitten hindurch. Immer wieder versank der Mann im Schlamm, aus dem er sich nur mit Mühen befreien konnte. So kam es, dass er, als er den Sumpf durchquert hatte, so von Schlamm und Unrat bedeckt war, dass die Leute ihn unrein, Vagabund und Ungeheuer nannten. So getroffen war er von dem Gerede der Leute, dass er seinem Leben ein Ende setzen wollte. Er ging zum Fluss und stürzte sich hinein, um von den Fluten mitgerissen zu werden.

Doch das Schicksal wollte nicht, dass er starb. Es gschah, dass er an das Ufer getrieben wurde und als er erwachte, blickte er in einen Tümpel. Doch er sah nichts Unreines, er erblickte kein Ungeheuer, nur sich selbst, denn der Fluss hatte allen Schmutz von ihm gewaschen.

Alsbald führte ihn seine Wanderschaft in einen Wald, dessen Bäume von leuchtenden Blüten bedeckt waren. Und aus den Blüten wehte goldener Blütenstaub. Schnell war der Mann ganz von Blütenstaub bedeckt und auch die Bewohner des Waldes erstrahlten in goldenem Glanz, ganz so wie er selbst. Er dachte, »genau so möchte ich sein für immer!«

Lange Zeit war der Mann glücklich mit seinem Leben im goldenen Wald, doch langsam, ohne dass er es merkte, schlich sich eine Krankheit in sein Herz, und die Krankheit hieß Heimweh. Immer öfter zog es ihn an den Rand des goldenen Waldes und schließlich nahm er, was ihm gehörte und ging. Viele Tage war er schon gereist, als er in ein Unwetter geriet. Wind peitschte in sein gesicht, Regen ergoss sich über sein Haupt, als ob der Himmel und der große Ozean ihre Plätze getauscht hätten. Mit Mühe fand er eine Höhle, in der er sich vor dem Sturm verbergen konnte. Lange Zeit verbrachte er so vor der Welt verborgen, bis der Sturm vorrübergezogen war. Und als er aus der Höhle trat, erblickte er sein Antlitz in einer Pfütze. Da war nichts goldenes mehr, denn der Regen hatte allen Blütenstaub von ihm gewaschen und so sah er im Wasser nichts als sich selbst.

So kam es, dass der Mann als der in sein Dorf heimkehrte, als der er geboren worden war. Er hatte seinen Namen verloren, tiefes Unglück erfahren und seinen Reichtum hergegeben, doch er hatte sich selbst dabei gefunden.

Montag, 13. Januar 2014