Freitag, 18. September 2015

Total Eclipse of the Brain - Wie uns unsere eigenen Vorstellungen im Weg stehen



Oft ist es so, dass Menschen, die in einem Bereich besonders engagiert sind, blind werden für alles, was nicht ihrem eigenen Weltbild entspricht. Besonders wenn man sich auf eine Interpretation der Welt festgelegt hat.

Man könnte nun denken, dass das nur bornierte Spießer oder geistig angebräunte Personen betrifft, deren Weltbild so verfestigt ist, dass es sich nicht einmal mehr mit dem Vorschlaghammer aufbrechen lässt.

Aber das ist nicht so.

Gerade auch Menschen, die auf einem Gebiet Erfahrung haben, können durch ihre Routine blind für das Ungewöhnliche bzw. Andere werden. Wenn man nicht aufpasst und sein Handeln nicht immer wieder hinterfragt, gerät man in einen Trott, der einen immer wieder zu den Lösungen zurückgreifen lässt, die auch sonst immer funktioniert haben. Man gleicht gewissermaßen dem Schulpferd, das so oft eine Reitstunde mitgemacht hat, dass es sein Programm abspult, sobald es durch das Tor der Reithalle getrabt ist, selbst dann, wenn niemand auf seinem Rücken sitzt. Es ist quasi auf Autopilot.

Mir selbst ist das einmal mit dem Buch eines meiner besten Freunde passiert. Als ich den ersten Entwurf von Bernd Baduras »Werke eines großen Meisters« in den Händen gehalten hatte, war mein erster Gedanke, »Das wird sich nie verkaufen!«. Mir ist damals keine Nische eingefallen, in die ich das Buch hätte einordnen können. Bernd hatte sich mit seinem Buch so konsequent zwischen alle Stühle gesetzt, dass ich für das Buch keine Chance gesehen habe. Und doch es gibt diese Nische, in die das Buch hineinpasst. Ich habe sie nur nicht erkannt.

Lektoriert habe ich das Buch dann trotzdem und ich bin froh, dass ich mich geirrt habe. Inzwischen hat Bernd eine kleine Fangemeinde und das Buch vekauft sich im Vergleich mit anderen Selfpublishern aus dem phantastischen Genre recht gut.

Man sollte also nie davon ausgehen, dass etwas nicht funktioniert, nur weil man keine Vorstellung davon hat, wie es funktionieren könnte oder glauben, dass die eigene Sichtweite die (einzig) richtige ist. Nur wer offen für Alternativen bleibt und sich anschaut, wie die Welt für andere gestrickt ist, kann sich selbst und damit seine eigenen Produkte letztendlich weiterentwickeln. Und nur wer das Experiment wagt, kann Wege finden, die zu etwas Großartigem führen können, gerade auch im Kunst- und Literaturbereich.

Deshalb lese ich nicht nur Texte, die aus dem Genre stammen, in dem ich selbst schreibe. Ich lese ebenso gerne Kafka, Hesse, Murakami oder Auster wie ich mir den Perry Rhodan-Roman oder die Thriller-Dutzendware zu Gemüte führen kann. Mich reizt es, die Konventionen des Fantasy-Genres zu durchbrechen und in meine Texte Techniken aus der Hochliteratur einzuflechten oder ungewöhnliche Perspektiven zu erproben.

Auch bei »Jenseits der schwarzen Berge« ist das der Fall. Auch wenn die Erzählng an der Oberfläche den Gesetzen des Fantasy-Genres folgt, so sind darin zahlreiche intertextuelle Verweise versteckt, die über den Text hinausweisen. Man kann den Text ohne Probleme als schöne Geschichte herunterlesen, ohne sich von diesen Verweisen gestört zu fühlen. Wer sich aber in der Fantasy-Literatur auskennt, kann den versteckten Hinweisen folgen, die zu anderen Werken hinführen und seine Freude daran haben (Bei den Lesungen sind das immer die Momente, wo die Leute, die Ahnung haben, anfangen, wissend zu grinsen).

Es gibt so viele Möglichkeiten, wie man etwas gestalten kann, deshalb sollte man sie nutzen, damit man etwas schafft, dass mehr ist als literarische Tütensuppe. Denn das Schlimmste, was man sich selbst und anderen in der Kunst (und dazu zählie ich auch die Literatur) antun kann, ist, sich selbst und das Werk der Anderen zu wiederholen, sklavisch nur das zu tun, was einem die Genre-Konventionen oder der Schreibratgeber vorschreiben. Wer nicht den Mut hat, eigene Wege zu gehen, sollte vielleicht kein Buch schreiben. Er würde die Menschen vor dem hundertsten Aufguss derselben alten Geschichte bewahren.