Freitag, 12. Dezember 2014

Googlen ist nicht recherchieren



Es ist einfach geworden, Informationen zu finden. Ein Klick ins Suchfenster des Browsers, ein paar Suchwörter eingegeben und schon spuckt Google eine Liste von Ergebnissen aus. Das ist der Zugang, den die meisten von uns haben werden. Sich eine Liste von Ergebnissen vorwerfen zu lassen, ist aber noch nicht recherchieren. Vielen wird das genug sein, aber Richtig spannend wird es, wenn man zwischen den Ergebnissen Verknüpfungen zieht.

Als Journalist muss man des öfteren Informationen über Personen herausfinden. Dabei ist es mit einer simplen Googleabfrage nicht getan, vor allem dann nicht, wenn man nach jemanden sucht, der einen Allerweltsnamen wie zum Beispiel Klaus Müller hat. Den Namen in Google ist nicht weiter hilfreich, weil die Suchmaschine eine lange Reihe unspezifischer Einträge ausspuckt.

Nehmen wir weiter an, ich weiß über einen Kollegen, dass Herr Müller auf der Hilversund Wind - einer Messe für Windenergie - am Stand der XYWind war. Nun habe ich zwei Möglihkeiten:
Ich schaue auf der Messe-Website im Ausstellerverzeichnis nach, wer der Pressekontakt von XYWind war. Damit weiß ich, wen ich im Unternehmen ansprechen kann, um einen ersten Kontakt herzustellen. Sollte ich über die Pressestelle keinen Kontakt erhalten können, weil dieser nicht gewünscht ist, oder ich das Gefühl habe, alle Informationen würden weichgespült, fange ich an, nach Mailadressen aus dem Unternehmen zu suchen. Schließlich finde ich die Adresse einer J.Bongartz@XYWind.de. 

Damit weiß ich, wie die Struktur der Mailadressen bei XYWind wahrscheinlich sein wird. Da Firmenadressen bei den meisten Firmen immer nach demselben Muster angelegt werden, wird die Adresse von Herrn Müller voraussichtlich K.Müller@XYWind.de sein. Damit habe ich schon die Grundlage für eine direkte Kontaktaufnahme geschaffen.

Ich möchte aber noch mehr Hintergrund haben, bevor ich Herrn Müller z.B. für ein Interview kontaktiere. Also beginne ich zu schauen, was zum Beispiel die Lokalpresse über XYWind zu sagen hat. XYWind hat auf ihrer Website ein Foto ihres Messestandes, auf der Herr Müller mit dem Bürgermeister Walter und Frau Meier vom Verein Pusteblume - ökologische Energie für alle e. V. zu sehen sind. Das bedeutet, dass ich A. nun weiß wie Herr Müller aussieht, und B. mit wem er zu tun hat. Eine Recherche in der Google-Bildersuch bringt zutage, dass Herr Müller und Herr Walter sich auf diversen Veranstaltungen über den Weg gelaufen sind und dazu noch Kontakte zu der Anlage-Firma haben, die vor kurzem in finanzielle Schwierigkeiten geraten ist. Der Geschäftsführer dieser Firma hat wiederum das Windvogelfest des Pusteblume e. V. gesponsert, dessen Vorsitzende Frau Meier ist, die zugleich für die Strandverwaltung Hilversum Nord arbeitet, an deren Strandabschnitt das Fest stattgefunden hat.

Auf diese Weise kann man eine ganze Menge nicht nur über Personen ausgraben, sondern auch über andere Fakten. Man sollte sich nie nur mit dem ersten Knochen zufriedengeben, den man ausgräbt, sondern weitergraben und die einzelnen Splitter Stück für Stück zusammensetzen, bis ein Dinosaurier draus geworden ist. Tut man es nicht, fällt man auf den Omnibus-Effekt herein, über den ich schon früher geschrieben habe.

Andersherum bedeutet das aber auch, dass jemand, der das Wissen und den Willen hat, Informationen zu finden, diese auch finden wird, nicht nur, wie in meinem fiktiven Beispiel, über Firmenangehörige, sondern auch über euch. Und das ist der Grund, warum ihr immer vorsichtig sein solltet, was ihr von euch im Netz preisgebt.

Ps.: Alle Namen im Beispiel sind frei erfunden. Eine Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen bzw. tatsächlich existierenden Istitutionen ist rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Freitag, 5. Dezember 2014

Autoren und Lektoren: Ein gespaltenes Verhältnis?


Wenn ich in den verschiedenen Autorengruppen auf Facebook unterwegs bin, fällt mir immer wieder auf, dass gerade unter den Indie-Autoren/Selfpublishern teilweise sehr seltsame Vorstellungen darüber kursieren, was die Aufgaben eines Lektors sind. Ich möchte das heute einmal andiskutieren und außerdem einen kleinen Einblick geben, was ein Lektor so den ganzen langen Tag tatsächlich tut. Ganz zum Schluss gibt es ein paar Tipps, wie man mit einfachen Mitteln dafür sorgen kann, dass das eigene Manuskript besser wird.

Gängige Vorurteile


Zu den gängien Vorurteilen, denen ich in den verschiedenen Autorenforen begegnet bin, gehören Sätze wie, "Das sind die, die vom Verlag angestellt sind, um Bücher abzulehnen. Die schreiben dir deinen Text um, um ihr eigenes Ego zu pflegen / ihre Sicht der Dinge durchzudrücken. Die kürzen meinen Text zusammen, bis ihn keiner mehr wiedererkennt" usw. Das ist natürlich Unsinn.

Die primäre Aufgabe eines Lektors ist nicht, Bücher abzulehnen, sondern die Publikationen, die vom Verlag angenommen werden, in eine veröffentlichungsreife Form zu bringen. Das Ego eines (guten) Lektors hat auch wenig mit seiner Arbeit zu tun. Es geht auch nicht darum, einen Text bis zur Unkenntlichkeit zu verstümmeln.

Was ein Lektor tatsächlich tut


Meine Hauptarbeit besteht darin, dass ich als Redakteur einer Fachzeitschrift (von Büchern allein kann man nicht leben) die Manuskripte der verschiedenen Fachautoren so bearbeitet, dass sie vom Aufbau her in das Konzept des Heftes passen. Das kann von einem simplen Absuchen des Manuskripts nach Tipp- und Rechtschreibfehlern bis zum fast kompletten Neuschreiben des Artikels reichen, wenn die Vorlage von der Form her einfach zu schlecht ist (was sehr selten vorkommt). Meistens liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen. Neben Rechtschreibfehlern sind die häufigsten Fehler in der falschen Anwendung von Fällen oder in falsch gebauten oder unvollständigen Sätzen zu suchen.

Ein beliebter Fehler ist – zumindest bei den Artikeln – ein Mangel an Struktur oder aber, als Extrem am anderen Ende des Spektrums, ein Überschuss derselben. Viele Artikel haben keinen ordentlichen Vorspann sowie keinen definierten Schluss und gelegentlich auch keine Gliederung, so dass meine Aufgabe als Redakteur darin liegt, dem Leser einen Einstieg und einen Ausstieg aus dem Text zu geben. Es gibt aber auch Artikel, die mit einer tiefgestaffelten Gliederung aufwarten und im Wesentlichen aus Aufzählungspunkten bestehen. Hier ist es wichtig, die Gliederungsebenen zu reduzieren und aus den Aufzählungen ganze Absätze zu machen.

Nach der Manuskriptkorrektur geht der bearbeitete Text an den Autoren, der schließlich den Text mit den von ihm freigegebenen und neu hinzugefügten Korrekturen an uns zurückschickt. Diese Freigabefassung wird in das Layout gegeben, wo dann die endgültige Druckfahne hergestellt wird. Diese wird sodann noch mehrmals überprüft, um Konvertierungs- und eventuell übersehene Fehler auszuschließen, bevor das Heft schließlich an die Druckerei gesendet wird. Von dieser kommt schließlich der finale Plott (Ein Abzug der Druckplatten/-daten, heutzutage meist digital), der noch einmal vor der endgültigen Freigabe genau kontrolliert wird.

Bei den Büchern ist das Procedere im Wesentlichen nicht anders, lediglich der Umpfang ist größer. Bei Büchern muss man zudem mehr auf die inhaltliche Konsistenz achten. Ansonsten gelten dieselben Regeln wie für einen kurzen Artikel, man muss auf die Sprache achten, schauen, dass die Übergänge stimmen, dass keine Rechtschreibfehler im Text sind oder alle Namen und Bezeichnungen stimmen. Bei Büchern ist es außerdem wichtig, auf die inhaltliche und logische Konsistenz des Textes zu achten.

Die Texte und die Inhalte ändern sich, aber das Handwerk bleibt gleich.


Eine Sache, die wichtig ist, aber gern übersehen wird, ist, auf das Layout zu achten: Stimmt der Satzspiegel? Ist die Paginierung richtig? Sind alle Seiten da? Sind die Grafiken (so vorhanden) da und in der richtigen Auflösung? Sind die Schriftarten alle richtig gesetzt?

Das alles sind Fragen, denen man sich spätestens vor dem Hochladen des Buchblocks auf den Server der Druckerei stellen muss.

Was tun, wenn man sich keinen Lektor leisten kann?


Die wenigsten Independent-Autoren werden sich einen professionellen Lektor leisten können. Es gibt aber ein paar kleine Tricks, wie man auch von zu Hause aus die Qualität seiner eigenen Texte verbessern kann.
  1. Gehe zuerst alle formalen Aspekte durch, wie sie oben beschrieben sind.
  2. Den Text Zeile für Zeile lesen: Drucke das gesamte Manuskript aus, nimm ein weißes Blatt und lege es auf die jeweilige Seite. Ziehe dieses Blatt Zeile für Zeile nach unten. So ließt du jeweils immer nur diese eine Zeile.
  3. Nutze dein Handy oder PC, um dein Manuskript in eine Audiodatei zu diktieren. Höre dir diese Datei an. So kannst du sprachliche Schwachstellen im Text entdecken. Alternativ kannst du auch  jemand anderen den Text vorlesen lassen und das aufzeichnen. Höre dir die Aufnahme mehrmals an, bis du alle Fehler gefunden hast.
  4. Bei Textteilen wie dem Titel kannst du mit einem Bleistift dünne Striche zwischen den Silben machen. so fallen dir Fehler schneller auf. Lies dir selbst den Titel-Text wie ein Erstklässler vor.

Ich hoffe, dass diese kleinen und einfach umzusetzenden Tipps für euch eine Hilfe sein können, denn auch bei einem selbstverlegten Buch sollte das oberste Ziel sein, ein Produkt so gut wie möglich zu produzieren.

Montag, 1. Dezember 2014

Erzähltechniken für Fortgeschrittene III: Das Mash-Up



Wenn man mit seinem schreiben mehr erreichen will, als nur die hundertste Variation derselben Genreelemente, muss beizeiten einen Weg finden, die Beschränkungen des Eigenen Genres zu überwinden. Mit den Techniken der Intertextualität und der Dialogizität haben wir in den vorherigen Teilen dieser Serie zwei Wege erkundet, um diese Grenzen auszudehnen oder zu überschreiten. Das Mash-Up ist eine weitere Möglichkeit genau das zu tun. 

Das Mash-up bezeichnet die Vermischung mehrerer Genres in einer Erzählung, um dem ursprünglichen Genre neue Eigenschaften zuzufügen. Als Ursprung des Mash-Ups gilt der Roman "Stolz und Vorurteil und Zombies", der das Werk Jane Austens mit Elementen aus dem Zombie-Genre "anreichert". Ziel des Mash-Ups ist, dem Hauptgenre des Textes eine neue Perspektive zu geben. Man sieht die Aspekte des Genres aus einem anderen Blickwinkel.

Das Spiel mit den Genre-Versatzstücken ist auch eine gute Gelegenheit, wieder Schwung in das eigene Schreiben zu bringen, wenn es sich festgefahren hat. Manchmal kann es auch dazu dienen, Bereiche der Erzählwelt auszuloten, die man bisher noch nicht erkundet hat. Das ist zum Beispiel beim Aetherwestern der Fall, an dem unter anderem Stefan Holzhauer von Phantanews und Anja Bagus beteiligt waren. Dort verbinden sich Steampunk-Elemente mit Western-Elementen.

Man kann sich eine Ganze Reihe von Genre-Mixes vorstellen, die durchaus das Potenzial für interessante Geschichten zu haben. Wie wäre es zum Beispiel mit einer Welt, in der Zwerge im zweiten Weltkrieg auf der Seite der Amerikaner kämpfen, während sich die Elfen mit den Nazis verbündet haben, oder eine Mischung aus Krankenhaus- und Vampirroman. Oder Vamipre, die mit Engeln in einer riesigen kugelförmigen Raumstation kämpfen. Oder Fifty Shades of Decay usw.

Mash-Ups sind auch ein gutes Werkzeug, wenn man zum Beispiel eine Schreibwerkstatt abhalten will. Das Springen zwischen verschiedenen Genres und die Eigenschaft des Mash-Ups, zum Trash zu tendieren, kann auch bewirken, dass die Köpfe der Beteiligten frei werden (bspw. von Vorurteilen). Insofern ist das Mash-Up ein gutes Mittel, um während einer Schreibwerkstatt einen Einstieg zu finden.