Freitag, 11. Dezember 2015

Was ist das »Schlechte« an einem schlechten Text?


Wenn man sich eine Weile mit den Erzeugnissen anderer Autoren beschäftigt, und damit ein weites Spektrum an Texten ganz unterschiedlicher Art und Herkunft kennenlernt, bekommt man mit der Zeit ein Gefühl dafür, wann ein Text »schlecht« ist. Was aber dieses »Schlechte« tatsächlich ist, ist weit schwieriger zu definieren. Dieser Post soll der Versuch einer solchen Definition sein.

Auf den ersten Blick scheint die Definition eines schlechten Textes einfach zu sein: Zum Beispiel, wenn der Text keine durchgängige Handlung hat, zwischen den Handlungsorten hin- und herspringt, vom Hölzchen auf‘s Stöckchen kommt, eine seltsame Orthographie und Grammatik hat usw. Auf den zweiten Blick stellt sich die Sache aber nicht so klar dar.

Das »Schlechte« entzieht sich einer einfachen Definition

Nach meiner gerade eben gegebenen Rohdefinition wären dann solche Texte wie Mutmassungen über Jakob, von Uwe Johnson, Nix und Moppel Schappiks Tätowierungen von Peter Wawerzinek oder Manhattan Transfer von Jon Dos Pasos schlecht, weil sie keine durchgängige Handlung (und keine klassische Dramaturgie) haben, teilweise extrem zwischen einzelnen Handlungsfragmenten hin- und herspringen, oder auf der thematischen Ebene ein Fragment neben dem anderen stehen zu lassen, ohne dass sich ein Zusammenhang unmittelbar erschließen will.

Tatsächlich sind diese Texte alles andere als »schlecht«. Vielmehr sind die einzelnen Fragmente in jeder dieser Erzählungen höchst kunstvoll geschrieben und das Fragmentierte, Zusammenhanglose ist Gestaltungsprinzip. So beschreiben die Mutmassungen über Jakob den Tod des besagten Jakobs, die aber nicht konventionell erzählt wird, sondern sich nur aus dem erschließt, was nach dem Tod Jakobs übrig bleibt: Den Erinnerungen der Betroffenen, Dokumenten, den Orten, an denen er gewesen ist. So wird das Fragmentierte der Erzählung zur literarischen Umschreibung des Umgangs mit der Erinnerung an einen Verstorbenen.

Die Fragmentierung des Textes kann also als sicheres Kriterium für einen »schlechten« Text nicht herhalten. Nur weil etwas nicht einer linearen Handlung folgt, bedeutet das nicht, dass es schlecht wäre.

Auch auf der sprachlichen Ebene lässt sich das »Schlechte« an einem Text nicht so ohne weiteres festmachen. Eine grobe, rohe Sprache kann dem Thema des Textes gerecht werden — zum Beispiel in einem Hard Boiled-Krimi — ebenso wie eine hochverdichtete oder ideosynkratische Sprache, die sich der Leser erst erarbeiten muss, um den Text wirklich genießen zu können.

Die Antwort liegt nicht so sehr im Was sondern vielmehr im Wie

Vielleicht ist es einfach falsch, danach zu fragen, was das »Schlechte« in einem schlechten Text ist. Vielleicht sollte man eher fragen, auf welche Weise der Text schlecht ist. Möglicherweise liegt das schlechte eben nicht in der Substanz des Textes, sondern in der Art und Weise, wie die einzelnen Elemente desselben miteinander zusammenhängen (In etwas so, wie eine wackelige Konstruktion aus einer Holzplatte und vier Beinen immer noch ein Tisch ist, wenn auch ein schlecht zusammengezimmerter).

In gewisser Weise gibt es für alle schlechten Texte eine gewisse Familienähnlichkeit, die es dem Betrachter ermöglicht, sie als schlechten Text zu identifizieren, ohne dass dieser wirklich an Einzelheiten festmachen könnte, worin dieses »Schlechte« eigentlich liegt. Dennoch kann man sich ihm annähern.

Ein Kriterium für die Qualität eines Kunstwerkes im Allgemeinen liegt letztendlich im »Timing«, mit der die Mittel der jeweiligen Kunstform eingesetzt werden, ganz gleich, ob es sich dabei um Literatur, Film, Theater, Malerei, Tanzen, Ikebana oder Kochen handelt. Immer geht es darum, die richtigen Elemente in der richtigen Menge und zur richtigen Zeit einzusetzen. Ob es sich dabei um Farben, Gewürze, Blumen, Tonfolgen, Tanzschritte, Textzeilen oder Sätze handelt, ist dabei für das Prinzip unerheblich. Wichtig ist, dass der Künstler weiß, was er wann in welcher Menge einsetzen muss, um das gewünschte künstlerische Ergebnis zu erzielen.

Um das wirklich gut machen zu können, bedarf es einer gut ausgeprägten Intuition und eines Gespürs dafür, wie weit man die »Regeln« variieren kann, ohne sie zu brechen. Besitzt man beides nicht, läuft man Gefahr, auf zwei Ebenen zu versagen: Hält man sich zu sehr an die »Regeln« oder »Standards«, wirkt das Werk farblos, wie nach »Rezept« produziert. Das Werk erscheint als »blass«, »beliebig«, langweilig, zusammenhanglos in einem weiten Sinne (nicht nur strukturell, sondern auch auf der inhaltlichen Ebene). Auf der anderen Seite kann man über das Ziel hinausschießen und dem Werk zu viel mitgeben, so dass es überbordend, schwültztig und letztendlich kitschig wirkt.

Um zu verdeutlichen, was ich damit sagen will, möchte ich noch einmal auf das Beispiel des Tisches zurückkommen. Dabei ist völlig unerheblich um welche Art (beim Roman: welches Genre) von Tisch es sich handelt. Ein Bauerntisch aus grob gezimmerten Planken kann seine eigene Ästhetik haben (die dem Betrachter nicht gefallen muss), er ist aber nicht schlecht, was seine Gestaltung angeht, solange seine Elemente sich zu einem stimmigen Gesamtbild zusammenfügen. Ist dieser Bauerntisch aber schlecht gefertigt, sind zum Beispiel seine Bretter lose oder die Tischbeine unegal geschnitten, so ist er ein schlechter Tisch, da er weder den ästhetischen noch den praktischen Ansprüchen genügt. Ebenso kann man ihn als schlecht bezeichnen, wenn man minderwertige Materialien für seinen Bau verwendet hat (zum Beispiel morsches oder schlecht verleimtes Holz, Nägel aus billigem Eisen oder minderwertigen Leim).

Fazit

Ob ein Text »schlecht« ist, lässt sich nicht an einzelnen Elementen des Textes festmachen. Vielmehr ergibt sich das »Schlechte« an einem Mangel an Konsistenz in der Gesamtheit desselben. Neben der offensichtlichsten und am leichtesten zu korrigierenden Ebene, die sich aus mangelnder Orthographie, dürftigen Satzbau und einer unrunden Grammatik ergibt, gibt es noch subtilere Ebenen, auf denen ein Text versagen kann. Beispiele dafür findet man in Fällen, in denen der Text fragmetiert ist, die einzelnen Teile nicht zusammenfinden wollen, ohne dass das beabsichtigt ist, oder aber der grundsätzliche Ablauf der Geschichte nicht mit den Handlungen der Figuren zusammenkommen will. Natürlich gibt es noch viele andere Aspekte, die einen Text »schlecht« machen können (zum Beispiel die mechanische Wiederholung der immer gleichen Szenen, Sätze, oder Konstrukte, die den Text eintönig macht), aber ich hoffe, ich habe euch einen Eindruck davon geben können, in welche Richtung sich die Argumentation weiter bewegen kann.

Freitag, 4. Dezember 2015

Plotten II: Vom Groben zum Detail


Wenn ich in den Autorengruppen unterwegs bin, höre ich oft, dass Einige Schwierigkeiten mit dem Plotten haben. Schaut man sich die Gründe dafür an, so liegt der Grund dafür, das gerade Anfänger oft Schwierigkeiten haben, einen ordentlichen Plott zu entwickeln darin, dass sie einen Fehler machen, den man nicht nur beim Schreiben, sondern auch in anderen Kunstformen machen kann: Sie wollen schon direkt zu Beginn ein perfektes Werk erschaffen.

Das ist ungefähr so, als ob man in der Malerei ohne Vorbereitungen ein perfektes Bild malen wollte. Tatsächlich ist das Anlegen eines Bildes eine gute Analogie. Wenn ich beginne, ein Bild zu malen, lege ich zunächst mit wenigen groben Strichen eine erste Skizze an.

Dasselbe lässt sich beim plotten analog einrichten, indem man nicht gleich einen detaillierten Plan aufsetzt, sondern zuerst ein paar Eckpunkte (Wendepunkte/Plotpoints) festlegt. Das können zum Beispiel der Anfang, der Schluss und die Mitte der Handlung sein. Es bietet sich an, dem Verlauf des klassischen Dramas zu folgen, also neben dem Anfang, dem Höhepunkt und dem Schluss noch ein oder zwei Wendepunkte zu setzen.

In der Malerei würde nun, nachdem man die erste Skizze entworfen hat, das Anlegen der Flächen erfolgen. Auch hier werden diese erst grob, ins unreine angelegt, ohne dass man großartig auf Details oder Feinheiten achtet.

Für den Text bedeutet das, dass man beginnt, die Lücken zwischen den fünf Ankerpunkten mit Handlungselementen (Kapiteln) aufzufüllen. Dadurch, dass man diese Punkte gleich zu Anfang gesetzt hat, fällt es leichter, auf den jeweiligen Punkt hinzuarbeiten, was außerdem dazu führt, dass die Erzählung von Beginn an konsistenter ist als eine, in der einfach drauflosgeschrieben wurde.

Bei einem Bild würde nach dem Anlegen der Flächen die Arbeit an den Schattierungen und Details beginnen, die solange fortgesetzt wird, bis ein zufriedenstellendes Ergebnis erzielt wurde.

Im Text ist das der Moment, wo man zum Beispiel Kapitel in einzelne Szenen herunterbricht, an denen man wiederum so lange weiterfeilt, bis die Handlung konsequent vom Anfang bis zum Ende durchläuft.

Letztendlich geht es sowohl beim Malen wie beim Schreiben, aber auch bei allen anderen Kunstformen darum, dass man weiß, welche Mittel man in welcher Menge und in welcher Reihenfolge anwendet. Wer das beherzigt, hat den ersten und wichtigsten Schritt getan, um passable Werke abzuliefern.

Vorschau

Im nächsten Post wird es um das Thema »Wie erkenne ich einen schlechten Text gehen«. Einen schlechten Text erkennt man meistens sofort, aber was ist das »Schlechte« an einem solchen Text? Das möchte ich nächste Woche mit euch herausfinden.

Freitag, 27. November 2015

Diese vier Faktoren brauchst du, um erfolgreich zu sein


Ein gerne verbreiteter Mythos unserer Zeit ist, dass jeder erfolgreich sein kann, wenn er sich nur genügend anstrenden würde. Das Problem ist nur, wenn wirklich jeder Erfolg haben kann, der nur genug Fleiß an den Tag legt, warum gibt es dann so wenige Menschen, die ihn haben? Es gibt zahlreiche talentierte, fleißige und kommunikative Menschen, die aber dennoch nie die Chance gehabt haben, mit ihren Ideen durchzustarten. Stattdessen bleiben sie immer in dem Bereich, der im angelsächsischen Raum »Longtail« genannt wird. Es muss also Faktoren geben, die den Erfolg einer Idee/Person beeinflussen, die einen Unterschied zwischen dem Erfolgreichen und dem Bemühten ausmachen.

Insgesamt gibt es vier Faktoren, die den Erfolg einer Person, aber auch eines Unternehmens oder sogar eines Staates beeinflussen können. Drei davon lassen sich unmittelbar durch zielgerichtetes Handeln beeinflussen, der Vierte aber nicht. Die ersten drei Faktoren sind Ressourcen, Fähigkeiten, und Kontakte. Sie sind durch eigene Initiative beeinflussbar, zum Beispiel, indem man sein Geld ökonomisch sinnvoll einsetzt oder aber Arbeitsabläufe möglichst effizient gestaltet, oder sich die nötigen Fähigkeiten aneignet (Im Falle eines Self Publishers wären das zum Beispiel Kenntnisse in Layout/Typographie oder Marketing).

Das Glück entscheidet

Der vierte Faktor, der durch nichts beeinflusst werden kann, ist – der Zufall oder: Glück. Das ist jetzt nicht nur eine Intuition von mir (einem mäßig erfolgreichen Indie-Autor), sondern lässt sich anhand von wissenschaftlichen Untersuchungen nachweisen 1.

Die ersten drei Faktoren wirken aufeinander ein. So hängt zum Beispiel von meinen Ressourcen ab, inwieweit ich meine Fähigkeiten weiter ausbilden kann. Was ich kann, kann wiederum hilfreich sein, um Kontakte zu knüpfen, die wiederum meine Ressourcenbasis erweitern können oder mir neue Wege aufzeigen, meine Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Alle drei Faktoren werden aber immer durch den vierten, den Zufall überformt.

Ungleiche Verteilung der Chancen

In der Regel sind die Chancen unter den Menschen nicht gleich verteilt, die Ressourcen ebenfalls nicht, was aber nicht unbedingt mit dem Fleiß der jeweiligen Person zutun haben muss, wie meist suggeriert wird.2 Werde ich in armen Verhältnissen geboren, sind meine Chancen, erfolgreich zu sein, nicht so groß, als wenn ich eine reiche Familie habe, die über hervorragende und gewachsene Kontakte verfügt. Vielleicht lebe ich aber auch in einer Gegend, in der es keine interessanten Leute gibt, bzw. ich liege mit den Leuten, die für ein Vorankommen hilfreich wären, nicht auf einer Wellenlänge.

Ein Plädoyer für mehr Gelassenheit

Da sich der Zufall nicht beeinflussen lässt, lohnt es sich nicht, das, was man tut, krampfhaft auf den Erfolg hin zu optimieren. Man sollte die Möglichkeiten, die man hat, so gut wie möglich nutzen, aber darüber nicht die Freude an der Sache verlieren. Nur wenn das, was man tut auch Erfüllung bringt, wenn der große Erfolg ausbleibt, hebt wirklich die Lebenszufriedenheit und gibt dem, was man tut einen wirklichen Sinn. Das heißt natürlich nicht, dass man nichts tun sollte, aber man muss sich nicht auf Gedeih und Verderb an den Gedanken hängen, dass eine Sache nur gut ist, wenn man ein Millionenpublikum erreicht hat. Letztendlich muss mit den Blatt spielen, dass man auf der Hand hat. Und wenn das Blatt ausgereizt ist, dann wird auch jeder Aufwand, den man treibt nichts mehr daran ändern.

  1. Siehe hier: Nicht nur Leistung, auch Zufall alleine schafft Reichtum und hier: Entrepreneurs, Chance, and the Deterministic Concentration of Wealth.
  2. Tatsächlich können die wenigsten Menschen etwas dafür, mit welchen Mitteln und Möglichkeiten sie in das Leben starten. Das schließt natürlich nicht aus, dass man sich durch dummes Verhalten seiner Mittel und Ressourcen beraubt. Oft hat man aber auch darauf wenig Einfluss, sondern wird durch äußere Faktoren determiniert. Niemand kann z.B. etwas dafür, wenn er durch die Pleite seines Arbeitgebers arbeitslos wird, oder beispielsweise durch eine schwere Krankheit nicht mehr in der Lage ist, sein bisheriges Leben weiterzuführen. Andereseits zeigen Beispiele wie Stephen Hawking, dass man auch mit schweren Einschränkungen Hervoragendes leisten kann.

Samstag, 21. November 2015

Plotten oder die Kunst eine Kanne Kaffee zu kochen.


 
"Was hat Kaffee kochen mit dem Plotten eines Buches gemeinsam? Und was soll die hirnrissige Überschrift überhaupt?", werden einige von euch, meine lieben Leser, vielleicht gedacht haben. Und so offensichtlich ist der Zusammenhang auch nicht. Viele Autoren haben ja gerade am Anfang ihrer Laufbahn Schwierigkeiten damt, sich einen stringenten Handlungfaden für ihre Stories zurechtzulegen. Die Lösung dafür ist, die Große Aufgabe "Plott" in viele kleine Schritte zu teilen, die miteinander verknüpft sind. Wie das genau funktioniert, kann man am besten an einer alltäglichen Tätigkeit zeigen. -- Und was ist alltäglicher, als eine Kanne Kaffee zu kochen?

Auf die Idee dazu bin ich gekommen, weil ich mich an eine Übung aus meinem Informatik-Unterricht damals in der Schule erinnert habe (auch wenn das zugegebenermaßen schon ziemlich lange her ist). Unser Informatik-Lehrer wollte uns beibringen, wie man Programme gut plant. Er hatte sich dafür diese kleine Übung ausgedacht: Wir sollten uns überlegen, was wir tun müssten, wenn wir uns morgens eine Kanne Kaffee kochen wollen. Sinn und Zweck dieser Übung war, uns beizubringen, wie man ein Programm strukturiert, damit es die Schritte zur Erledigung der Aufgabe folgerichtig erfüllt. Wir sollten nicht einfach drauflosschreiben, damit kein "Spaghetti-Code" entsteht.

Bei einem langen Text ist das nicht anders, der Plott soll dafür sorgen, dass die Handlung in ihrer Logik konsequent vom Anfang zum intendierten Ende läuft, ganz gleich wie verworren die Handlung auch auf der Oberfläche erscheinen mag. Sowohl beim Programm als auch beim Plott soll die innere Logik des Textes dafür sorgen, dass am Ende das gewünschte Ergebnis herauskommt.

Zurück zum Kaffee

Zurück also zum Kaffee. Das Kaffeekochen soll unser Alltagsbeispiel sein, um zu zeigen, wie man einen Ablauf in eine Reihe von Einzelschritten zerlegt. Was also müssen wir tun?
  1. Zuerst muss ich den Kaffee und die Filter aus dem Schrank holen.
  2. Das Filterfach öffnen.
  3. Die Filtertüte zurechtfalten.
  4. Filtertüte in den Halter stecken.
  5. Das Kaffeepulver einfüllen.
  6. Mit der Kanne zum Wasserhahn gehen.
    6.1. Wasserhahn aufdrehen.
    6.2. Wasser in die Kanne laufen lassen.
  7. Mit der Kanne zurückgehen.
  8. Wasser in den Wassertank füllen.
  9. Kaffeemaschine einschalten.
  10. Warten bis der Kaffee durchgelaufen ist.
  11. Maschine ausschalten.
  12. Filter entfernen
  13. Kaffee in die Tasse gießen.
Fertig.

Auch wenn sich das auf den Blick vielleicht albern anhören mag, trainiert das Zerlegen von alltäglichen Handlungen die Fähigkeit, Ereignisfolgen zu konstruieren. Und das ist wichtig, um Stories zu schreiben, die Hand und Fuß haben.

Samstag, 14. November 2015

Fassungslos



Eigentlich wollte ich euch in dieser Woche einen Artikel über das Plotten präsentieren. Aber die Ereignisse von Paris haben mich fassungslos hinterlassen. Ich mache mir Sorgen, nicht nur weil Terroristen, die vorgeben, im Namen einer Religion zu handeln, mitten in Europa ihre Verbrechen begehen, sondern auch, weil das ein gefundenes Fressen für die Nazis und Halb-Nazis unter uns ist. Dabei sind weder die Einen oder die Anderen in ihrem grundlegenden Wesen unterschiedlich.

Was meine ich damit? Der IS und die Nazis unterscheiden sich nur an der Oberfläche voneinander. Strukturell und in Bezug auf die Denkweisen, die dahinterstecken sind beide Gruppen gleich: Faschisten. Nun könnte man sagen, "Die machen das aber, weil ihnen ihr Gott das befiehlt. Da ist der Unterschied."

Das ist natürlich Blödsinn.

Da ist kein Unterschied, weil auch die Religion nur als Ausrede vorgeschoben wird, genauso wie bei den Nazis das Abendland oder das "Volk" als ethnisch definierte Gruppe. Die einen holen sich ihr Recht über "Gott" die anderen über den Begriff "Rasse". Aber darunter sind die Mechanismen gleich, egal wie man sie nennt. Jeder der so handelt ist grundsätzlich von zwei Motivationen getrieben, einerseits von einem Gefühl, etwas "verdient" zuhaben, dieses Gefühl, dass im angelsächsischen Sprachraum "Sense of Entitlement" genannt wird. Wer so denkt hat das Gefühl, dass ihm "etwas zusteht". Wenn dieser "Sense of Entitlement" auf die Realität trifft und sich zeigt, dass niemand gewillt ist, dieses Bedürfnis zu befriedigen, baut sich daraus Frust und letztendlich Hass auf. Das ist vorallem bei Menschen der Fall, die sich in einer prekären Situation befinden, aus armen Verhältnissen (Skinheads) oder aber aus Wohlstandsverwahrlosung (Hooligans) stammen und oft einen kaputten Familienhintergrund haben.

Ich glaube nicht, dass die Hintermänner an das glauben, was sie predigen. Mir scheint eher, dass es diesen Leuten darum geht, Macht auszuüben. Das ist bei Lutz Bachmann und Frauke Petry der Fall, aber auch bei den Anführern des IS. Es geht letztendlich immer nur um die Gier nach Macht.
Ich bitte alle unter euch, die das hier lesen, nicht still zu halten! Gerade wir Blogger und Autoren sollten unsere Stimme erheben gegen den Hass.

Teilt den Artikel, schreibt gegen den Terror an, egal von welcher Seite!

Freitag, 30. Oktober 2015

Wenn du wissen willst, wo es in deiner Story hakt, lies sie dir selbst vor



Die eigenen Fehler zu erkennen ist schwierig. Das gilt nicht nur in zwischenmenschlichen Beziehungen, sondern auch für die eigenen Texte. Es trifft sogar auf Leute zu, die so wie ich seit fünfzehn Jahren die Texte anderer Leute korrigieren Ich kann an keiner Kekspackung mehr vorbeigehen, ohne die Rechtschreibfehler, typographischen Schwächen, Farbfehler usw. zu sehen, aber meine eigenen Typos sehe ich nicht (jedenfalls nicht alle). Ist das ein Grund, jetzt in Verzweiflung auszubrechen? Nein: Sich selbst den eigenen Text laut vorzulesen kann Abhilfe schaffen.

Der Witz an der Sache ist, dass man, wenn man den Text laut vorließt, unweigerlich an den Stellen ins Stocken kommt, an denen etwas nicht stimmt. seien es nun Rechtschreibfehler oder grammatikalisch fragwürdige Konstruktionen. Wichtig ist dabei, dass man sich den Text langsam und ruhig vorließt und nicht über die Zeilen huscht. Man sollte auch nicht zuviele Seiten in einer Sitzung lesen, da – zumindest ist das meine Erfahrung – spätestens nach zehn Seiten die Konzentration so weit absinkt, dass man nichts mehr mitbekommt.

Konkretes Vorgehen

Theoretisch hört sich das natürlich ganz nett an, aber wie lässt sich das pragmatisch in die Tat umsetzen?

Ich gehe dabei so vor, dass ich den Text den ich korrigieren will mit dem Handy aufnehme und ihn mir dann im Anschluss selbst vorspiele. Man kann logischerweise auch jedes beliebige andere Aufnahmegerät nehmen, für mich hat sich das Telefon aber als die bequemste Alternative erwiesen.

Den Text aufzunehmen hat den Vorteil, dass man sich einzelne Stellen mehrfach anhören kann. Das ist vorallem bei solchen Passagen wichtig, bei denen man sich nicht sicher ist, ob sie unstimmig sind oder nicht.

Während man die Aufnahme abhört, sollte man den zu korrigierenden Text vor sich liegen haben, um die Fehler direkt korrigieren zu können. Da man aber in der Regel nicht so schnell die Korrekturen eintragen kann, wie die Aufnahme durchläuft, ist es wichtig, diese stoppen zu können. Ebenso wichtig ist, dass man aufmerksam und genau zuhört. Es ist besser, sich eine auffällige Stelle mehrmals anzuhören, als einen Fehler durchgehen zu lassen.

Der Computer als Vorleser

Falls man partout nicht vorlesen kann oder will (z. B. weil man seine eigene Stimme nicht ertragen kann oder in irgendeiner Form undeutlich spricht), kann auf den Computer als Vorleser zurückgreifen. Mithilfe eines Text-to-Speech-Programms ist das problemlos möglich. Der Computer hat zudem den Vorteil, dass er den Text so gut wie intonationslos ließt und so eventuelle Fehler nicht durch einen lebhaften Lesestil verdeckt werden können. Ist ein Wort falsch geschrieben, wird er es genauso falsch aussprechen, wie es geschrieben wurde und nicht anders.

Eine Möglichkeit von vielen

Natürlich ist das Sich-selbst-Vorlesen nur eine Möglichkeit, Fehler in den eigenen Texten zu finden. Aber es ist eine sehr effektive, die außerdem das eigene Sprachgefühl trainiert und eine Vorbereitung zum Beispiel auf Lesungen sein kann. Probiert es aus! – Und berichtet mir davon.


Freitag, 23. Oktober 2015

Du gehst nicht auf Buchmessen, um etwas zu verkaufen



Neben der Frankfurter und der Leipziger Buchmesse gibt es ja auch noch eine ganze Reihe von kleineren teils genrespezifischen Veranstaltungen, deren Spektrum eines Büchermarkts mit Autorenbeteiligung bis zu echten kleineren Messen reicht. Inzwischen habe ich schon einige dieser Veranstaltungen besucht und dabei festgestellt, dass die Vorstellung, dort viele Bücher zu verkaufen, Unsinn ist. Ganz am Anfang habe ich noch dreißig Bücher plus Standdeko usw. mitgeschleppt, aber dann schnell gemerkt, dass das schlichter Unsinn ist. Heute nehme ich von jedem Buch nicht mehr als fünf Exemplare mit. Doch was soll man auch einer Buchmesse, wenn man keine Bücher verkauft?

Die Antwort ist einfach: Leute treffen! Jenseits der Hoffnung, auf der Messe Bücher zu verkaufen ist sie eine Gelegenheit, andere Autoren und/oder Leute aus (Klein)-Verlagen kennenzulernen. Im Gegensatz zu Kontakten über Facebook hat man hier das Unmittelbare, das virtuellen Kontakten immer fehlt. Man sitzt an seinen Ständen, redet miteinander, trinkt denselben (schlechten) Kaffee und kommt ins Gespräch. Manchmal ergeben sich daraus auch neue Projekte.

Das war beim Tao teh Kitteh so, das Martin zwar schon meine Posts auf dem Blog, auf Google plus und Facebook gesehen hatte. Festgemacht haben wir den Plan, eine künstlerisch gestaltete Fassung des Buches zu machen aber erst auf der Unknown 2014, wo wir genug Zeit hatten, uns persönlich miteinander zu unterhalten. Auf der diesjährigen Unknown habe ich zum Beispiel erfahen, dass es einen in Essen beheimateten Verlag gibt, der sich auf Fantasy spezialisiert hat. Und natürlich trifft man auch die Leute wieder, die man schon auf den anderen Veranstaltungen kennengelernt hat, so dass man seine Bekanntschaften auffrischen kann.

Wenn man dann auch noch ein paar Bücher verkauft, ist das ein netter Nebeneffekt, aber nichts, was man vorraussetzen sollte. Die Vernetzung mit deinen Mitautoren und Autorinnen ist viel wichtiger.

Freitag, 16. Oktober 2015

Die Legenden von Tamath: Das Kurzgeschichtenbuch




Wie regelmäßige Leser meines Blogs vielleicht wissen, arbeite ich zur Zeit an einem kleinen Kurzgeschichtenband, der sich näher mit der Welt befasst, die den Hintergrund für meine Reihe »die Legenden von Tamath« bildet. Doch warum eigentlich einen Kurzgeschichtenband schreiben und nicht ein »richtiges« Buch?

Es gibt verschiedene Gründe dafür. Einer davon ist, dass es praktisch ist, ein paar kürzere Stücke auf der Hand zu haben, die man für Lesungen verwenden kann – schließlich hat man nicht jedesmal eine Stunde Lesezeit, sondern nur zehn-fünfzehn Minuten, zum Beispiel, wenn man eine Gruppenlesung veranstaltet. Da ist etwas Kurzes, das in der vorgegebenen Zeit vollständig vorlesbar ist, sehr nützlich.

Ein weiterer Grund ist, dass ich bestimmte Aspekte meiner Welt und der Protagonisten weiter ausleuchten wollte. Woher kommen die Zwerge Beren und Gingadol, was hat es mit Tuwanda auf sich, dessen Namen Caumara und Tauwara ständig rufen, was haben Gathnorr, Anaria und Gingadol in ihrer Jugend erlebt? Dazu gibt es einige kleine Gleichnisse/Märchen, die sich die Bewohner meiner Welt erzählen.

Und drittens hatte ich vor, die EBook-Fassung des Kurzgeschichtenbandes kostenlos herauszugeben, damit die Leute einen einfachen Einstieg in die Welt von Tamath erhalten können. Neben der kostenlosen EBook-Version werde ich auch vom Kurzgeschichtenbuch eine Printversion erstellen, die sich vorraussichtlich

Fortschritte


Wie man an der Tabelle sehen kann, sind die einzelnen Texte unterschiedlich weit fortgeschritten. Wärend einige soweit sind, dass ich sie den Testlesern zur Verfügung stellen kann, sind andere über die Konzeptphase noch nicht hinaus. Das heißt aber auch, dass ich mich ranhalten muss, wenn ich bis Weihnachten etwas Printfähiges in den Händen halten will. Wahrscheinlich ist das in Anberecht meiner Erfahrungen mit der kalten Jahreszeit über die letzten Jahre hinweg nicht. Zeitlich ist wohl eher Ostern im Rahmen des realistisch Möglichen. Der Druck wird zunächst über Createspace erfolgen, falls die Tolino-Allianz sich im Laufe des nächsten Jahres entschließt, auch Printbücher zu produzieren, werde ich eine Veröffentlichung auch dort in Erwägung ziehen.

Titel Konzeptphase 1st. Draft Abgetippt Autorenkorrektur Testleser Layout Endkorrektur Plot-Kontrolle
Zwergenreise * * *
Goldener Mann * * * *
Spinne * * * *
Gingadol * *
Bremse * *
Galesads Prophezeihung * * * *
Bettler *
Prinzesin Anaria und der Tempel *
Ucca-Legende * * ~
Gathnorr *
Bastan der Held *

Die Tabelle ist übrigens ein Beispiel dafür, wie man seine Arbeit an einem Buch visualisieren / organisieren kann. Da ich über den Zeitrahmen keine sinnvolle Aussagen machen kann, habe ich mich entschieden, mir Meilensteine zu setzen. Für jede einzelne Geschichte (jedes Kapitel) habe ich mir Acht Wegpunkte gesetzt, die jeweils erreicht sein müssen, damit der jeweilige Teil als abgeschlossen gilt. Nicht beinhaltet sind die Illustrationen, weil ich diese erst sehr spät entwickeln werde, wenn die Stories im wesentlichen schon stehen.

Die Meilensteine sind im Einzelnen:
  • Die Konzeptphase: Hier skizziere ich für mich die Grundzüge der Story und mache mir Notizen dazu (das, was man landläufig Plotten nennt).
  • 1st. Draft: Der erste handschriftliche Entwurf der Story.
  • Abgetippt: Meint genau das, was draufsteht. Der handschriftliche Entwurf wird in den Computer übertragen.
  • Autorenkorrektur: Überarbeitung der Texte durch mich.
  • Testleser: Die Texte werden auf Google Docs hochgeladen und stehen den Testlesern zur Begutachtung bereit
  • Layout: Die Printfassung wird layoutet und das Ebook fertigmontiert.
  • Endkorrektur: Der Buchblock und das Cover werden vor dem Hochladen noch einmal gründlich durchgesehen
  • Plot-Kontrolle: Nach dem Hochladen wird der Buchblock noch einmal gründlich auf Typos etc. durchgesehen.
Das lässt sich so (oder so ähnlich) auf fast jedes Buchprojekt übertragen und sorg dafür, dass man eine visuelle Rückmeldung hat, wie weit man in seinem Projekt hat – ganz abgesehen davon, dass sich das Prinzip ganz hervorragend für Anthologien und Fanzines/Magazine eignet, bei denen Fremdautoren involviert sind.

Freitag, 2. Oktober 2015

Der Perspektivenwechsel ist böse...


Zumindest dann, wenn man den zahlreichen gängigen Schreibratgebern Glauben schenken möchte. Der Grund dafür ist vermutlich darin zu suchen, dass er zu den anspruchsvolleren Erzähltechniken gehört, die man nicht mal eben so realisiert. Da außerdem die meisten Schreibratgeber (außer vielleicht das wunderbare »Über das Schreiben« von Sol Stein) eher darauf abzielen, dem angehenden Autor ein kommerziell orientiertes Schreiben beizubringen, hört (ließt) man immer wieder, dass man Perspektivwechsel zu vermeiden hat.

Um es vorweg zu sagen: Das ist völliger Blödsinn! Ohne die Technik des Perspektivwechsels als künstlerisches Mittel hätte es künstlerisch anspruchsvolle Bücher wie John Dos Passos Manhattan Transfer, Wolfgang Koeppens Tauben im Gras, Uwe Johnsons Mutmassungen über Jakob, Ryunosuke Akutagawas In a Grove (die Vorlage für Akira Kurosawas Film Rashomon), oder auch die verstörenden Bücher Nix und Moppel Schappiks Tätowierungen des Bachmann-Preisträgers Peter Wawerzinek nie gegeben.

Die Warnung ist aber insofern völlig berechtigt, weil es sich beim Perspektivwechsel um eine Technik handelt, die ein gewisses schriftstellerisches Können erfordert, wenn man sie richtig einsetzen will. Dazu kommt, dass man dem Leser einiges an Arbeit abverlangt, wenn dieser dem Fortgang der Erzählung folgen soll. Die Technik eignet sich demnach nicht für den seichten Unterhaltungsroman. Dennoch kann man damit vorallem die Leser begeistern, die sich gerne intellektuell herausfordern lassen.

Nun könnte man meinen, das gälte nur für die »hohe« Literatur und der Genreautor bliebe besser in den sicheren Leitplanken seines Sujets und einem angestaubten, süß- säuerlichen Realismus verhaftet (der im Bereich der Romance auch gerne mal ins Verkitschte abgleitet), aber das stimmt so nicht: Auch der Genreautor kann aus den Techniken der Hochliteratur künstlerischen Gewinn ziehen. Allein schon dadurch, dass man sein Repertoire an Ausdrucksmöglichkeiten erweitert, das Experiment wagt, wertet man seine eigene Erzählung künstlerisch auf.

Warum sollte man zum Beispiel in einem Thriller nicht eine Sequenz bauen, in der der Fokus der Erzählung von einem Objekt/einer Person zur nächsten springt, ähnlich wie eine Kamera im Film durch einen Raum fährt und jeweils andere Blickwinkel einfängt, z. B. so:

Eine Fliege an der Decke beobachtet zwei Männer, sie sieht, wie einer der beiden mit einem Messer zusticht ::>; Perspektivwechsel: Innenperspektive des Angreifers ::>; Perspektivwechsel: Beschreibung, wie die Klinge in den Körper des Opfers eindringt ::>; Perspektivwechsel: Innenperspektive des Opfers.

Damit hätte man zum Beispiel schon das Grundgerüst für eine Kurzgeschichte.

Um das Ganze noch einmal etwas deutlicher zu machen, möchte ich eine Sequenz aus meiner Science-Fiction-Kurzgeschichte Elevation Zero analysieren:
Ryder konnte den Roboter von seiner Position aus sehen, eine humanoide, in Tarnfarben gehüllte Gestalt, die anstelle des rechten Unterarms eine klobig aussehende Waffe montiert hatte, und die sich langsam in ihre Richtung bewegte, ohne ihn oder Nandhar bemerkt zu haben. Er gab dem Kathaner ein Zeichen, dass er stillhalten sollte. Dann deutete er auf eine Gruppe von Felsen, die nur wenige Schritte entfernt lagen. Hook machte eine Geste, dass Nandhar zu den Felsen hinüberrennen sollte.
Nandhar nickte. Dann sprang er auf. Noch bevor er wieder auf dem Boden gelandet war, begann er zu schießen. Die Kugeln aus seiner Waffe schwirrten um den Roboter herum. Einige streiften das Chassis der Maschine, prallten aber wirkungslos von ihm ab. Dennoch lenkten die Treffer aus seiner ungezielten Salve die Maschine lange genug ab, dass er sich hinter die Felsen retten konnte.
Du springst, rennst schießend an dem Roboter vorbei, siehst die Kugeln, die funkenstiebend von ihm abprallen, siehst, wie der Arm der Maschine sich hebt. Dann bist du hinter den Felsen verschwunden und rollst dich ab. Ein Blitz! Steinsplitter regnen auf dich herab. Du hörst die klackenden Schritte der Maschine auf dich zukommen. Sie steht vor dir. Du blickst in ein einzelnes, rotglimmendes Linsenauge, das von kleineren Nebenaugen umgeben ist. Der Roboter hebt seine Waffe.
Ryder sah, wie die Schüsse aus Nandhars Waffe wirkungslos abprallten, beobachtete, wie sein Freund gerade noch rechtzeitig hinter dem Felsen verschwand, um dem Schuss aus der Railgun des Roboters zu entgehen, der einen tiefen Krater in da Gestein riss. Hook zielte. Die Maschine hob ihren Arm zu einem zweiten Schuss, der den Kathaner töten würde. Dann zerplatzte der Kopf des Roboters in eine Wolke aus elektronischen Bauteilen. Ryder Hook hatte geschossen.
Du blickst in den Lauf der Railgun. Erwartest den Schuss, der nicht kommt. Stattdessen prasseln Plastikteile, Kabel und Elektroschrott auf dich herab. Der Torso der Maschine zuckt ein paar Mal unkoordiniert, dann bricht er zusammen. Du machst einen Sprung zur Seite und schaust auf die Überreste des Roboters hinab. Deine Ohren zucken vor Aufregung und du spürst, wie sich dein gesamtes Körperfell vom Kopf bis zur Schwanzspitze sträubt. Fauchend trittst du gegen das regungslose Chassis.
Hook trat neben Nandhar, der fauchend auf den auf den reglosen Körper des Roboters eintrat.
»Eine KOBI-TO-520 Infiltratordrohne. Ein ziemlich altes Modell. Hätte Tarkis etwas neueres auf Lager gehabt, wären wir ohne Chance gewesen.«
Was passiert hier erzähltechnisch? In dem vorliegenden Abschnitt wird zwischen der Außenperspektive und der Innenperspektive Nandhars gewechselt. Auf beiden Ebenen wird dasselbe Ereignis geschildert: Der Angriff des Roboters auf die beiden Protagonisten. Zuerst erleben wir das Geschehen aus der Außensicht, quasi wie eine Kameraeinstellung. Dann wechselt die Perspektive auf die Innenperspektive Nandhars und wir erleben die selbe Szene aus Nandhars Sicht.

Dann wechselt der Fokus wieder auf die Außensicht. Es wird beschrieben, wie Hook den Roboter erschießt, kurz bevor dieser Nandhar töten kann. Dann wechselt der Fokus wieder auf Nandhars Erleben, um schließlich wieder nach außen zu wechseln.

Der Point of View intermittiert also zwischen der Außen- und der Innensicht. Der Effekt davon ist, dass wir nicht nur eine sachliche Beschreibung der Ereignisse erhalten, sondern zugleich auch erfahren, was in einem der Protagonisten vor sich geht. Die eigentlich klassische Passage wird so emotional aufgeladen und erscheint so im Vergleich zu der reinen Schilderung aus nur einer Perspektive emotional aufgeladen. Das das so ist, kann man leicht erkennen, wenn man die innerperspektivischen Einschübe weglässt:
Ryder konnte den Roboter von seiner Position aus sehen, eine humanoide, in Tarnfarben gehüllte Gestalt, die anstelle des rechten Unterarms eine klobig aussehende Waffe montiert hatte, und die sich langsam in ihre Richtung bewegte, ohne ihn oder Nandhar bemerkt zu haben. Er gab dem Kathaner ein Zeichen, dass er stillhalten sollte. Dann deutete er auf eine Gruppe von Felsen, die nur wenige Schritte entfernt lagen. Hook machte eine Geste, dass Nandhar zu den Felsen hinüberrennen sollte.
Nandhar nickte. Dann sprang er auf. Noch bevor er wieder auf dem Boden gelandet war, begann er zu schießen. Die Kugeln aus seiner Waffe schwirrten um den Roboter herum. Einige streiften das Chassis der Maschine, prallten aber wirkungslos von ihm ab. Dennoch lenkten die Treffer aus seiner ungezielten Salve die Maschine lange genug ab, dass er sich hinter die Felsen retten konnte.
Ryder sah, wie die Schüsse aus Nandhars Waffe wirkungslos abprallten, beobachtete, wie sein Freund gerade noch rechtzeitig hinter dem Felsen verschwand, um dem Schuss aus der Railgun des Roboters zu entgehen, der einen tiefen Krater in da Gestein riss. Hook zielte. Die Maschine hob ihren Arm zu einem zweiten Schuss, der den Kathaner töten würde. Dann zerplatzte der Kopf des Roboters in eine Wolke aus elektronischen Bauteilen. Ryder Hook hatte geschossen.
Hook trat neben Nandhar, der fauchend auf den auf den reglosen Körper des Roboters eintrat.
»Eine KOBI-TO-520 Infiltratordrohne. Ein ziemlich altes Modell. Hätte Tarkis etwas neueres auf Lager gehabt, wären wir ohne Chance gewesen.«
Das Ergebnis? Eine ganz gewöhnliche Szene, wie sie in hunderten Science-Fiction-Stories schon beschrieben wurde. Aber nichts, was einem auffallen würde.

Perspektivwechsel erfordern Können

Perspektivwechsel können ein mächtiges Werkzeug sein, aber nur, wenn man weiß, wie man sie einsetzen kann. Ist das der Fall, so hat man mit Ihnen ein starkes Mittel, um seinen Büchern und Texten einen eigenen Stil zu geben, der sich vom literarischen Einheitsbrei, der sich gerade auch unter den Self Publishern immer mehr verbreitet, abzusetzen vermag. Denn dass ist ja der große Vorteil des Self Publishing, sich selbst zu verlegen, weil man das Experiment wagt, an das sich die Verlage nicht trauen und nicht den Selbstverlag zu wählen, weil es das eigene Werk beim Verlag nicht geschafft hat.

Freitag, 18. September 2015

Total Eclipse of the Brain - Wie uns unsere eigenen Vorstellungen im Weg stehen



Oft ist es so, dass Menschen, die in einem Bereich besonders engagiert sind, blind werden für alles, was nicht ihrem eigenen Weltbild entspricht. Besonders wenn man sich auf eine Interpretation der Welt festgelegt hat.

Man könnte nun denken, dass das nur bornierte Spießer oder geistig angebräunte Personen betrifft, deren Weltbild so verfestigt ist, dass es sich nicht einmal mehr mit dem Vorschlaghammer aufbrechen lässt.

Aber das ist nicht so.

Gerade auch Menschen, die auf einem Gebiet Erfahrung haben, können durch ihre Routine blind für das Ungewöhnliche bzw. Andere werden. Wenn man nicht aufpasst und sein Handeln nicht immer wieder hinterfragt, gerät man in einen Trott, der einen immer wieder zu den Lösungen zurückgreifen lässt, die auch sonst immer funktioniert haben. Man gleicht gewissermaßen dem Schulpferd, das so oft eine Reitstunde mitgemacht hat, dass es sein Programm abspult, sobald es durch das Tor der Reithalle getrabt ist, selbst dann, wenn niemand auf seinem Rücken sitzt. Es ist quasi auf Autopilot.

Mir selbst ist das einmal mit dem Buch eines meiner besten Freunde passiert. Als ich den ersten Entwurf von Bernd Baduras »Werke eines großen Meisters« in den Händen gehalten hatte, war mein erster Gedanke, »Das wird sich nie verkaufen!«. Mir ist damals keine Nische eingefallen, in die ich das Buch hätte einordnen können. Bernd hatte sich mit seinem Buch so konsequent zwischen alle Stühle gesetzt, dass ich für das Buch keine Chance gesehen habe. Und doch es gibt diese Nische, in die das Buch hineinpasst. Ich habe sie nur nicht erkannt.

Lektoriert habe ich das Buch dann trotzdem und ich bin froh, dass ich mich geirrt habe. Inzwischen hat Bernd eine kleine Fangemeinde und das Buch vekauft sich im Vergleich mit anderen Selfpublishern aus dem phantastischen Genre recht gut.

Man sollte also nie davon ausgehen, dass etwas nicht funktioniert, nur weil man keine Vorstellung davon hat, wie es funktionieren könnte oder glauben, dass die eigene Sichtweite die (einzig) richtige ist. Nur wer offen für Alternativen bleibt und sich anschaut, wie die Welt für andere gestrickt ist, kann sich selbst und damit seine eigenen Produkte letztendlich weiterentwickeln. Und nur wer das Experiment wagt, kann Wege finden, die zu etwas Großartigem führen können, gerade auch im Kunst- und Literaturbereich.

Deshalb lese ich nicht nur Texte, die aus dem Genre stammen, in dem ich selbst schreibe. Ich lese ebenso gerne Kafka, Hesse, Murakami oder Auster wie ich mir den Perry Rhodan-Roman oder die Thriller-Dutzendware zu Gemüte führen kann. Mich reizt es, die Konventionen des Fantasy-Genres zu durchbrechen und in meine Texte Techniken aus der Hochliteratur einzuflechten oder ungewöhnliche Perspektiven zu erproben.

Auch bei »Jenseits der schwarzen Berge« ist das der Fall. Auch wenn die Erzählng an der Oberfläche den Gesetzen des Fantasy-Genres folgt, so sind darin zahlreiche intertextuelle Verweise versteckt, die über den Text hinausweisen. Man kann den Text ohne Probleme als schöne Geschichte herunterlesen, ohne sich von diesen Verweisen gestört zu fühlen. Wer sich aber in der Fantasy-Literatur auskennt, kann den versteckten Hinweisen folgen, die zu anderen Werken hinführen und seine Freude daran haben (Bei den Lesungen sind das immer die Momente, wo die Leute, die Ahnung haben, anfangen, wissend zu grinsen).

Es gibt so viele Möglichkeiten, wie man etwas gestalten kann, deshalb sollte man sie nutzen, damit man etwas schafft, dass mehr ist als literarische Tütensuppe. Denn das Schlimmste, was man sich selbst und anderen in der Kunst (und dazu zählie ich auch die Literatur) antun kann, ist, sich selbst und das Werk der Anderen zu wiederholen, sklavisch nur das zu tun, was einem die Genre-Konventionen oder der Schreibratgeber vorschreiben. Wer nicht den Mut hat, eigene Wege zu gehen, sollte vielleicht kein Buch schreiben. Er würde die Menschen vor dem hundertsten Aufguss derselben alten Geschichte bewahren.

Freitag, 28. August 2015

Im Sommerloch



Kennst du das? Du hast ein paar Ideen, was du in dein Blog posten könntest, aber so richtig gefällt dir keine davon, der Abwasch in der Küche müsste gemacht werden und im Arbeitszimmer brechen die Bücherstapel unter ihrem eigenen Gewicht zusammen. Außerdem ist da noch das neue Buch, dass auch noch geschrieben sein möchte. Was passiert also? Ich prokrastiniere! 

Es ist nicht so, dass ich nichts tun würde, beim Kurzgeschichten-Band geht es weiter voran, und ich bin jetzt regelmäßig in der Kunstschule, um die Grenzen von dem, was ich kann weiter hinauszuschieben. Das kostet natürlich alles Zeit, da fällt das Blog teilweise etwas hintenüber. 

Grundsätzlich sehe ich da aber kein Problem, schließlich kann ich mich nicht klonen und so muss halt alles schön der Reihe nach geschehen. 

Da ich seit meinem Umzug nun etwas längere Zeit in Bus und Bahn verbringe, nutze ich die Zeit, um an meinen Stories weiterzuschreiben. So habe ich nicht ganz das Gefühl, gar nichts auf die Reihe zu bekommen.

Was also kann ich tun? Nach neuen Themen suchen zum Beispiel. Einfach schon mal ein paar Posts anfangen und sie dann zuendeschreiben, wenn mir ein zündender Funke gekommen ist. Mich auf die Marketing-Tutorials stürzen, deren Neusprech mir jedes Mal Kopfweh bereitet. 

Jedenfalls ist alles besser als sich hängen zu lassen. 

Freitag, 14. August 2015

Die Legenden entwickeln sich weiter



Wer schon öfter bei Literatura Fragmentata vorbeigeschaut hat, wird bemerkt haben, dass ich nicht nur Schreibtipps gebe, sondern auch ein Buch geschrieben habe. Jenseits der schwarzen Berge (JdsB) ist nun knapp ein Jahr alt und es wird Zeit, mit den Legenden von Thamat weiter voranzuschreiten. Bevor es aber an das Schreiben des nächsten Romans geht, möchte ich einen Kurzgeschichtenband einschieben, der einige Fragen beantwortet, die in JdsB offengeblieben sind.

Unteranderem werden die Hintergründe verschiedener Figuren aus JdsB ausgeleuchtet, z.B:
  • Wie sind Beren und Gingadol in das Dorf der Ucca gekommen? Wo stammen sie her?
  • Es wird ein Erlebnis aus der Kindheit Prinzessin Anarias geben, das (zugegebener Maßen) schrecklich war und mit den seltsamen Tempeln im Tal oberhalb der Stadt Tonolorn zu tun hat.
  • Eine weitere Geschichte befasst sich mit der Vergangenheit Gathnorrs, der weit mehr ist als nur ein einfacher Schafshirte
  • Gingadol erinnert sich an ein dramatisches Erlebnis aus seiner Zeit in der Magierakademie
und natürlich noch vieles mehr.

Keine der großen Legenden


Was das Buch selbst angeht, so wird des nicht der zweite Band der Legenden von Tamath-Reihe sein, sondern der erste Band eines Spin-Offs, dass anhand von Kurzgeschichten die Hintergründe zu den »großen« Geschichten näher ausleuchtet und meinen Lesern die Welt, die hinter JdsB steckt näherbringt.

Ich habe vor, die EBook-Fassung hier auf meinem Blog (und auf der Website, wenn sie einmal fertig ist) kostenlos im Epub- und im Mobi-Format zum Download zur Verfügung zu stellen. Die Printfassung wird über Amazon zu beziehen sein und dasselbe schöne Layout besitzen wie die Legenden-Reihe.

Natürlich mache ich auch hier wieder die Zwischenillustrationen selbst, wobei ich hier ein wenig mit verschiedenen Zeichen-Techniken experimentieren möchte.

Warum Kurzgeschichten?


Das ich den Kurzgeschichten-Band einschiebe hat zwei Gründe: Einmal hatte ich nach dem Schreiben von JdsB das Gefühl, dass noch nicht alle Aspekte, über die ich noch etwas hätte sagen können, gesagt waren.

Andererseits hatte ich auf den Lesungen, wo ich neben anderen aufgetreten bin, das Problem, dass ich Teile aus dem Buch braucht, die kurz genug waren, um beim Vorlesen das Zeitlimit nicht zu sprengen. Deshalb lag es nahe, einen kleinen Band mit Kurzgeschichten zu verfassen.

Als dritten Grund kann ich noch anführen, dass ich die Kurzgeschichten gerne als Experimentierfeld benutze, um Dinge auszuprobieren, ohne die Menge an Vorbereitungen treffen zu müssen, die ich für ein großes Buch brauche.

 

Warum das EBook umsonst?


Warum gebe ich das EBook umsonst her? -- Gute Frage! Der Grund ist einfach. Ich hänge an meiner Fantasywelt, sie ist mein Palais Ideal und ich möchte, dass sie bekannter wird. Und der beste Weg, etwas im Internet bekannter zu machen, ist, es kostenlos zu vergeben.

Freitag, 7. August 2015

Warum du eine Lesung halten solltest, auch wenn du EBook-Autor bist

 
In den verschiedenen Autorenforen lese ich des Öfteren, dass sich die Autoren nicht sicher sind, ob es etwas bringt, Lesungen zu halten. Da gilt besonders für EBook-Autoren, die ja kein physisches Exemplar ihres Produktes vorweisen können. Dennoch bietet eine Lesung viele Vorteile, die man auch als EBook-Autor nicht vernachlässigen sollte


Einer der größten Vorteile einer Lesung ist, dass man sich den potenziellen Kunden persönlich bekannt macht und zudem in direkten Kontakt mit Kollegen und Veranstaltern kommt. Man kann neben der eigentlichen Lesung quasi als Side-Event Networking betreiben.


Daneben hat man die Möglichkeit, zu erleben, wie die Story sich im realen Leben macht, ob sie ankommt oder ob es Stellen gibt, die haken. Nicht zuletzt bietet so eine Lesung die Möglichkeit, für das eigene Buch Werbung zu machen und vielleicht sogar ein oder zwei Bücher zu verkaufen.


Was aber tun, wenn man nur ein EBook hat? Hier bietet es sich an, einen Dummy anzulegen, d.h. ein Einzelexemplar, dass die Besucher der Lesung in die Hand nehmen können. Wie das geht, habe ich in einem anderen Post beschrieben.


Für mich geht es heute auf die nächste Lesung in der Fünte in Mülheim-Heißen und ich freue mich darauf.


Ich wünsche euch ein schönes Wochenende und viel Glück!

Freitag, 31. Juli 2015

Suchst du noch nach Inspiration, oder transpirierst du schon?


Seit ich in Selfpublisher-Kreisen unterwegs bin, höre ich des Öfteren, dass manche werten Kollegen und Kolleginnen zwar ein ganz tolles Konzept für einen Roman oder was auch immer haben, aber noch kein einziges geschriebenes Wort vorweisen können. Sie warten noch auf die Inspiration, heißt es dann. Oder, man könne nur schreiben, wenn die Inspiration fließt. Um es kurz und schmerzlos zu machen -- das ist Quatsch!

Als jemand, der im wirklichen Leben als Redakteur arbeitet, weiß ich, dass die effektive Produktion eines Textes gleich welchen Genres wenig mit Inspiration zu tun hat, sondern vielmehr damit, dass man seine Hausaufgaben macht (zum Beispiel gezielt Material sammelt) und sich auf seinen Hintern setzt. Das ist das ganze Geheimnis dahinter, wie man einen Text in einer definierten Zeit fertigschreibt, nicht mehr, nicht weniger.

Würde ich bei den Texten, die ich schreiben muss, erst darauf warten, dass mich die Inspiration überfällt, dann hätte ich a) bis heute nichts geschrieben und b) keinen Job mehr. Im Prinzip braucht man für jeden Text, ganz gleich ob das ein journalistischer (Gebrauchs-)Text ist oder das nächste "Finnegans Wake" nur wenige Dinge zu beachten:

Erstens muss man ein Ziel haben. Wofür ist der Text gut, was will ich erreichen? Das ist die Frage die man sich ganz am Anfang stellen sollte.

Zweitens muss man seine Hausaufgaben machen. Dazu gehört eine grobe Outline von dem, was ich schreiben will. Etwas, das ein Ziel und den Weg dort hin definiert. Eine simple Liste ist dafür völlig ausreichend. Weiß man, wohin man will, sollte man gezielt Material sammeln, das zum Thema des Textes passt. Das gilt sowohl für Berichte wie auch für fiktionale Texte. Wildes Herumsuchen ist dabei eher kontraproduktiv.

Drittens muss man sich auf seinen Hintern setzen und schreiben. Sofern man nicht durch äußere Umstände wie einen Umzug, eine Krankheit oder den Ausfall der Technik dazu verdammt ist, nicht schreiben zu können, gibt es keinen Grund, es nicht zu tun.

Es ist auch völliger Blödsinn, stundenlang darauf zu warten, dass die eine geniale Wortfolge aus deinem Gehirn purzelt oder stundenlang an einer Formulierung zu "feilen", sobald man sie zu Papier gebracht hat.

Solange du kein Genie bist, ist es sehr unwahrscheinlich, dass man auf diese Weise irgendetwas Sinnvolles oder gar Schönes produziert. Da kann man genausogut seine Zeit damit verbringen, Buchstaben aus einem Scrabble-Beutel zu ziehen oder mit einem Aluhut auf dem Kopf in einem Gewitter spazieren gehen, da ist die Wahrscheinlichkeit, eine "Erleuchtung" zu haben, größer. Erst einmal geht es darum, überhaupt etwas zu Papier zu bringen, daran feilen kann man später immer noch.

Im Rückblick hat sich der Termindruck, der sich ergibt, wenn man gezwungen ist, seine Artikel zu einem festen Termin abzugeben für mich als sehr hilfreich erwiesen. Man lernt, dass es wichtiger ist, erstmal überhaupt etwas vorweisen zu können. Wenn man dann noch Zeit hat, kann man das dann immer noch schön machen.

Das "Feilen" an der einzelnen Formulierung, obwohl man noch kaum etwas zu Papier gebracht hat, der heroische Kampf, den manche mit der Sprache auszufechten glauben, ist dagegen vor allem eines: unproduktiv.

Geht jemand auf diese Weise vor, gleicht er einem Bildhauer, der mit einer winzigen Feile bewaffnet eine Statue aus dem Felsen kitzeln will. Das ist zwar möglich, aber - wie schon gesagt - völlig ineffektiv. Ein geübter Bildhauer schlägt dagegen erst die grobe Form aus dem Stein und erst wenn diese steht, beginnt er mit immer feineren Werkzeugen, die endgültige Form der Figur herauszuarbeiten.

Und selbst wenn das Material ein anderes ist, ein geübter Autor macht es nicht anders.