Nachdem
es in den letzten paar Posts um ganz konkrete Aspekte des Schreibens,
bzw. der Motivation zum Schreiben gegangen ist, gibt es dieses Mal wieder eine Textanalyse aus dem phantastischen Bereich. Es geht um
den Roman Traumfinder, den wahrscheinlich die wenigsten kennen, der aber mehr Beachtung erfahren sollte, denn er weicht in einigen
Punkten auf interessante Weise von den üblichen Schemata der Fantasy ab.
(cc) Moodyblue | Deviant Art |
Das
Mitte der achtziger Jahre von Bastei-Lübbe ins Deutsche übertragene
Buch bietet wie schon gesagt einige interessante Konzepte, die es von der gewöhnlichen Fantasy-Dutzendware abheben.
Bevor wir jedoch auf diese zu sprechen kommen, ist es angebracht, kurz über den Inhalt dieser Erzählung referieren.
Worum es geht
Die
Erzählung befasst sich mit der Geschichte des Traumfinders Antyr
Petranson, der zwar über ein außergewöhnliches Talent in seiner Profession besitzt, aber dennoch mit seinem Schicksal hadert, bzw.
dieses in Alkohol zu ertränken versucht. Doch was genau ist ein Traumfinder? Traumfinder sind Menschen, die mithilfe ihrer Gefährten
— magisch begabten Tieren — in der Lage sind, in die Träume anderer Menschen vorzudringen und diese als Beobachter mitzuerleben.
Sie nehmen dabei eine Rolle ein, die sich am ehesten mit der eines irdischen Psychologen vergleichen lässt, wobei die Fähigkeit der
Traumfinder allerdings auf einer magischen Begabung beruht.
Diese
Fähigkeit ist es auch, die Antyr aus seinem trostlosen Zustand
herausreißt und ihn in die unmittelbare Nähe des Fürstenhauses seiner Heimatstadt Serenstadt bringt. Fürst Ibris und seine Familie
werden seit einiger Zeit von Alpträumen geplagt, die weit über das gewöhnliche Maß beunruhigend sind. Es scheint, als habe sich in die
Träume eine Bedrohung eingeschlichen, die nicht aus dem Träumer selbst, sondern von außerhalb kommt. Einer der Söhne des Fürsten –
Menedrion – war sogar so weit in seinem Traum gefangen, dass er seine Geliebte beim Hochschrecken aus dem Schlaf beinahe umgebracht
hätte.
Antyr
wird nun zu Fürst Ibris gerufen, da sein verstorbener Vater der
Hoftraumfinder des Fürsten war. Bei seinen Sitzungen mit der Familie des Fürsten findet Antyr heraus, dass die Träume Ibris´ und seiner
Söhne durch eine fremde Macht manipuliert werden. Später stellt sich heraus, dass auch das Nachbarvolk der Bethlarii, die
offensichtlich dem Klischee der Deutschen, wie es in der Welt bekannt ist (regelversessen, kriegerisch, humorlos usw.), entsprechen,
ebenfalls von dieser fremden Macht manipuliert werden, um es in einen Krieg mit den Serens zu treiben.
Die
Wahrheit wird schließlich enthüllt, als Barbaren unter der Führung
eines Mannes namens Ungwyl Ivaroth in das Land der Bethlarii und schließlich in das Gebiet der Serens einfallen. Im Gefolge Ivaroths
befindet sich ein Zauberer, der seine eigenen, dunklen Ziele verfolgt, aber zum Erreichen dieser die Fähigkeiten Ivaroths als
Traumfinder benötigt, um in den Welten der Schwelle (Parallelwelten, die ein Traumfinder durch den Traum erreichen kann) Macht ausüben zu
können. Er ist es auch, der die Träume der verschiedenen Fraktionen manipuliert, um Ivaroth bei Laune zu halten. Am Ende jedoch gelingt
es Antyr, der im Laufe der Geschehnisse an Persönlichkeit und Selbstbewusstsein gewonnen hat, den Magier und Ivaroth zu besiegen.
Sowohl der Zauberer als auch Ivaroth sterben.
Jenseits der üblichen Klischees
Soweit
zum Inhalt. Natürlich ließt sich der tatsächliche Text wesentlich
spannender als die hier vorliegende, eher dröge geratene, Inhaltsangabe. Um genau zu sein, ist der Text gleich in mehrfacher
Hinsicht interessant, weil er zwar eine Fantasywelt heraufbeschwört, aber in vielerlei Hinsicht von den üblichen Klischees der
High-Fantasy abweicht. Da ist zunächst einmal das Setting, in dem die Erzählung angesiedelt ist. – Zwar gibt es das Übernatürliche
in der Welt Antyrs, aber abgesehen von den telepathisch begabten Tieren und dem Zauberer fehlt das übliche Inventar der
Fantasy-Erzählung völlig. Stattdessen steht das Handeln der Menschen im Vordergrund. Übernatürliche Mächte, wie zum Beispiel
Götter, spielen für die eigentliche Handlung keine Rolle. Zwar wird ein übernatürlicher Hintergrund angedeutet, dieser tritt aber
lediglich in den Traumepisoden zutage.
Es
gibt also nicht wie zum Beispiel im »Herrn der Ringe« angelegt eine direkte göttliche Präsenz (In LOTR durch Gandalf, Saruman und
Sauron, aber auch Melkor repräsentiert), die unmittelbar auf das Schicksal der Welt Einfluss nimmt. Eher wird das Handeln der
einzelnen Figuren durch zutiefst menschliche Regungen (Machtgier, Angst, religiöser Fanatismus, aber auch der Wunsch nach einem
besseren Leben) angetrieben. Das ist selbst bei so von der Alltagswelt entrücken Figuren wie dem Zauberer der Fall.
Zusätzlich
zur Motivation der Figuren weicht auch der kulturelle Hintergrund,
vor dem die Figuren handeln, vom üblichen Klischee der Fantasy ab. Während konventionelle Fantasyromane in der Regel eine
(hoch-)mittelalterliche Welt beschreiben, ist der kulturelle Hintergrund von Taylors Protagonisten eher einer, der der irdischen
Frühen Neuzeit entspricht (Es gibt mechanische Uhren, ein Parlament, dass in ein Ober- und ein Unterhaus gegliedert ist usw.).
Ein
weiterer Unterschied zu vielen anderen Fantasyromanen ist die Art und
Weise, wie die Charaktere dargestellt werden. Taylor lässt seinen Figuren Zeit, sich zu entwickeln und schafft es so, dass sie weit von
den üblichen Folien entfernt sind, die von den auf reinen Kommerz ausgelegten Fantasyromanen kolportiert werden. Roger Taylor gönnt
seinen Figuren den Luxus, auch dunkle Seiten haben zu dürfen. In »Traumfinder« ist daher niemand nur 'gut' oder nur 'böse' (selbst
der von Machtgier zerfressene Zauberer nicht), und das macht diesen Roman besonders interessant.
Ebenso
interessant ist, dass der Roman in den Kundenrezensionen bei Amazon
nicht besonders gut weggekommen ist. Dort hieß es, es wäre zu wenig los, die Figuren redeten zu viel. Offensichtlich hatten die
Rezensenten leichte Romankost erwartet, die sich schnell konsumieren lässt — eine Art literarischen Big Mac also — und waren dann
enttäuscht, dass sie eine Speise mit Vorsuppe, Hauptgang und Dessert vorgetischt bekommen haben (nebenbei ist das ein Beispiel dafür,
dass Schwarmintelligenz nicht immer funktioniert).
Städte sind zentraler Handlungsort
Zusätzlich
zu der Art, wie die Charaktere gezeichnet werden, hat »Traumfinder«
ein weiteres Merkmal, dass den Text aus der Masse der Fantasyromane heraushebt. Taylors Erzählung spielt über weite Strecken in
Städten, was insofern ungewöhnlich ist, als dass High-Fantasy in der Tradition Tolkiens üblicherweise Questen-orientiert ist und
Städte (Siedlungen) nur als Start-, End- oder Wegpunkt der im jeweiligen Text beschriebenen Reise dienen. Dies ist zum Beispiel im
»Herrn der Ringe« bei Bree, Rivendell und Minas Tirith der Fall. Doch auch die anderen Orte in LOTR sind im Wesentlichen Wegmarken,
die den Fortschritt der Queste anzeigen. Aber auch der »Kleine Hobbit« beginnt in Hobbingen, führt die Charaktere über Beorns
Hütte und endet in der Zwergenstadt unter dem Erebor (bzw. in Thal).
Bei
Taylor hingegen ist Serenstadt die Ausgangsbasis und das
schützenswerte Gut der handelnden Personen. Die Stadt ist der kulturelle Hintergrund, der die Identität der Charaktere bestimmt
und zugleich der Ort, an den sie immer wieder zurückkehren, wobei das Wohlergehen der Stadt die Motivation der Protagonisten bestimmt.
Das große Manko der deutschen Übersetzung
Ein
großes Manko hat die deutsche Fassung dieses bemerkenswerten
Fantasyromans: Bei der Umsetzung des Textes hat der Bastei-Lübbe-Verlag grob geschlampt. Die mir vorliegende Fassung ist
voller auch für Laien offensichtlicher (und ebenso vielen nur für jemanden vom Fach) erkennbaren Satzfehlern (Typos), dass es wirklich
ein Ärgernis ist, für die deutsche Version des Buches Geld auszugeben. In mehr als zwei Kapiteln sind zum Beispiel die Namen
zweier Hauptfiguren durchgängig vertauscht. Wahrscheinlich hat der das Buch bearbeitende Lektor beim Korrekturlesen zu viel selbst
gebrannten Schnaps getrunken, so dass er halb blind war oder, was plausibler, aber ebenso ärgerlich ist, der Text hat nach der
Übersetzung niemals ein Lektorat gesehen.
Sowohl
ein schlechtes als auch ein nicht vorhandenes Lektorat sind ein
Armutszeugnis für einen etablierten Verlag wie Bastei-Lübbe. Selbst wenn man, wie dies viele Verlagsmenschen tun, Fantasy als »Schund«
ansieht, mit dem man die »höherwertigen« Projekte der hohen Literatur finanziert, ist das kein Grund, dem Kunden ein Produkt zu
liefern, das schlampig gefertigt wurde. Wer würde sich zum Beispiel in ein Auto setzen, dessen Räder nicht angeschraubt sind und in dem
die Türen falsch herum montiert wurden? Oder einen Fön benutzen, aus dessen Gehäuse noch die blanken Kabel heraushängen? —
Niemand! Auch hier gilt wie so oft: Wenn man gut unterhalten sein will, sollte man auf das englische Original zurückgreifen.
1 Kommentar:
Guten Morgen!
Weil ich deinen Blog sehr schön finde, habe ich dich getagged. :-) Die Anleitung dazu findest du auf meinem Blog: www.jaellekatz.blogspot.de
einen schönen Tag wünsche ich dir!
Jaelle Katz
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