Samstag, 2. November 2013

Aetherhertz von Anja Bagus: Independent-Steampunk der Extraklasse

Independent-Romane haben oft den Ruf, eher von zweifelhafter Qualität zu sein. Dass das nicht so sein muss, zeigt der Roman Aetherhertz von Anja Bagus, von dem ich sehr beeindruckt gewesen bin. Ich habe bisher wenige Independent-Romane gesehen, die ähnlich gut gemacht sind wie der Roman von Anja.

Bevor wir zum eigentlichen Interview kommen, möchte ich noch eine kurze Vorbemerkung machen. Aetherhertz spielt in einer sogenannten Steampunk-Welt, in der die Technologie eine Entwicklung genommen hat, die die Vision der Zukunft weiterdenkt, wie sie von Autoren wie Jules Verne Ende des 19. Jahrhunderts entworfen wurde. Üblicherweise werden Geräte in Steampunk-Erzählungen mit Dampf angetrieben. Ätherhertz bekommt seinen besonderen Dreh unter anderem dadurch, dass die treibende Kraft hinter den Gerätschaften eine Substanz namens Äther ist, die nicht nur Maschinen antreiben, sondern auch Menschen verändern kann. Diese Veränderungen und ihre Auswirkungen nicht nur auf die Menschen, sondern auch auf die Gesellschaft, sind der Dreh- und Angelpunkt, um den herum sich Aetherhertz dreht. Doch nun lange genug um den heißen Brei geredet, lassen wir Anja selbst zu Wort kommen:

LF: Hallo Anja, schön, dass du die Zeit gefunden hast, dieses Interview mit mir zu führen. Du hattest mir auf der Unknown 2013 gesagt, dass Ätherhertz als NaNoWriMo-Projekt das Licht der Welt erblickt hat. Hast du davor schon kürzere Geschichten geschrieben oder ist dein erster Roman auch die erste Story, die du geschrieben hast?

Anja Bagus: Ich hab irgendwo einen angefangenen Sci-Fi Roman, aber das ist über 10 Jahre her. Seither habe ich nichts mehr geschrieben. Dann habe ich eine Kurzgeschichte für eine Steampunk Anthologie geschrieben, die noch nicht erschienen ist, und eben Aetherhertz.

LF: Dein Roman spielt ja in einem alternativen 1910. Wieviel Recherche hast du für das Setting betrieben, in dem Aetherhertz spielt, um deine Story authentisch erscheinen zu lassen?

Anja Bagus: Das meiste hab ich aus Wikipedia, bzw. einem Baden-Badener Stadtführer. Ich kenne die Stadt sehr gut aus meiner Jugend und bin ja am Rande des Schwarzwalds aufgewachsen. Die Sache mit der Zeit ... nun, irgendwie habe ich mich da oft auf mein Gefühl verlassen, und offenbar mit vielem Recht gehabt.

LF: Du hast mit Aetherhertz einen schriftstellerisch und technisch professionellen Roman abgeliefert. Was unterscheidet in deinen Augen Aetherhertz von anderen Steampunk-Romanen?

Anja Bagus: Steampunk ist oft nur ein Label, unter dem ein Abenteuer- oder ein Liebesroman verpackt wird. Aber die wahre Essenz von Steampunk, die habe selbst ich noch nicht so richtig einfangen können. Ich bin trotzdem oft genervt davon, dass alles mit "Dampf" betrieben werden soll. Das ist doch in der Realität leider sehr unhandlich. Daher kam ich auf den Aether (keine neue Idee, aber bei mir ist er halt ein wenig was Anderes ...).

LF: Was vermisst du an anderen Steampunk-Romanen?

Anja Bagus: Oje ... also sie sind mir oft zu klischeehaft. Ich mag es mir etwas auszudenken, was wirklich möglich wäre, und dann zu schauen, was sich daraus entwickelt, wenn man das Setting ändert. Aber es muss halt glaubhaft sein. Dampf um des Dampfes willen ist irgendwann langweilig.

LF: Würde Aetherhertz auch funktionieren, wenn die Geschichte in ein anderes Genre - z.B. klassische Science-Fiction oder Horror - versetzen würde?

Anja Bagus: Ich glaube schon. Inzwischen wird mir ja schon vorgeworfen keinen "Steampunk" geschrieben zu haben, sondern "Aetherpunk" ... Ein eigenes Genre zu gründen ist natürlich schmeichelhaft, aber so weit würde ich nicht gehen. Und amazon kategorisiert Steampunk tatsächlich unter Science-Fiction. 

Independent aus freien Stücken


LF: Machen wir einen Schlenker von deinem Roman zu dir selbst: Was hat dich dazu bewogen, Independent-Autorin zu werden?

Anja Bagus: Die Möglichkeit. Also seit kurzem gibt es eben erst die Möglichkeit, und ich wollte das Experiment wagen. Ich hatte keine Lust, mir den Spass durch Absagen vermiesen zu lassen. Ich wollte die Leser selbst entscheiden lassen.

LF: Du hast ja im Gegensatz zu manch anderen Independent-Autoren eine eigene, kleine Fangemeinde. Welche Kanäle sind für dich wichtig, um in Kontakt mit deinen Fans zu bleiben?

Anja Bagus: Ja, das Wort "klein" ist ein Stichwort. Steampunker sind noch eine Subkultur, und gut zu erreichen über das Internet. Wir treffen uns in Foren und natürlich auch in "echt", weil wir Spass an unseren Kostümen und Basteleien haben. Da war es leicht, eine Verbindung zu bekommen und zu halten. Ich bin Administratorin des größten deutschen Steampunk Forums (Rauchersalon vom Clockworker) und biete auch auf Facebook viele Möglichkeiten, auf dem Laufenden zu bleiben.

LF: Nutzt du Facebook und Google + auf unterschiedliche Weise?

Anja Bagus: Ja. Eigentlich nutze ich fast nur Facebook. Google+ würde ich gerne häufiger nutzen, aber Facebook macht es mir so viel leichter ... 

LF: Das alles kostet Zeit. Wieviel Zeit bleibt dir neben Beruf und Familie zum Schreiben?

Anja Bagus: Ich schreibe ja quasi "Vollzeit". Ich habe im moment keine andere Arbeit. Dank meines Mannes darf ich mich ganz auf meinen Erfolg konzentrieren.

LF: Was tust du, um die Zeit, die du zum Schreiben hast, möglichst gut zu organisieren?

Anja Bagus:Ich bin sehr diszipliniert und arbeite wirklich lang. Zu lang oft. Die Versuchung ist groß, den ganzen Tag am Rechner zu sitzen.

LF: Ganz zum Schluss noch eine Bitte: Hast du einen Tip für die Leute da draußen, die noch keinen Roman veröffentlicht haben?

Anja Bagus: Habt keine Angst, aber Respekt. Habt Respekt vor den Lesern, den anderen Autoren, den Bloggern und überhaupt allen Menschen gegenüber, die ihn verdient haben. Gebt aus Respekt euer Bestes, und das bedeutet vor allem: vergeudet niemandes Zeit mit unausgegorenen Ideen und Projekten, die noch nicht fertig oder spruchreif sind. Wer etwas geleistet hat, darf ruhig stolz herumstolzieren und gackern, dann muss man aber weiter machen und nicht stehen bleiben. Also, schreiben, schreiben, schreiben.

LF: Anja, ich danke dir für das Gespräch.

Keine Kommentare: