Donnerstag, 13. November 2014

Erzähltechniken für Fortgeschrittene II: Dialogizität


Nachdem sich der letzte Beitrag darum gedreht hat, wie man mithilfe der Intertextualität einem Text weitere Bedeutungsebenen hinzufügen kann, geht es in dieser Woche darum, ein verwandtes Konzept aufzusuchen: Die Dialogizität.

Diese ist gewissermaßen eine entfernte Verwandte der Intertextualität und tritt gerne mit dieser zusammen auf. Der Begriff „Dialogizität“ wurde von Michail Bachtin in die literaturwissenschaftliche Diskussion eingebracht. Er beschreibt vereinfachend gesagt eine Sprache, die auf zwei oder mehreren Ebenen funktioniert.

Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn eine Figur Slang spricht, während der Erzähler das sprachliche Unvermögen des Sprechers ironisch kommentiert. Ein Anderer Fall wäre zum Beispiel, wenn Watson in einem Sherlock Holmes-Roman leicht verständnislos die Ausführungen Holmes‘ kommentiert. Oder man könnte in einem Dialog neben dem Gesagten auch die Gedanken der Protagonisten unterbringen usw.

Die Dialogizität dient in aller Regel dazu, den Text zu ironisieren und/oder die Gewissheit darüber zu erschüttern, was der Text bedeutet. Sie kann zum Beispiel dazu dienen, den Leser auf das Gemacht-Sein der Erzählung hinzuweisen (Ein schönes Beispiel aus dem filmischen Bereich ist in der Star Trek the Next Generation-Folge „Das Schiff in der Flasche“ zu finden, wo Captain Picard am Ende der Folge darüber sinniert, dass er selbst und seine Crew auch nur Figuren in einem kleinen Kasten sind.). Das ist ganz ähnlich wie beim Verfremdungseffekt im epischen Theater Brechts.

Dialogizität ist aber keinesfalls eine Technik, die der „hohen“ Literatur vorbehalten bleiben muss. Sie funktioniert auch gut in Genreliteratur, wie ein Beispiel aus meinem Buch Jenseits der schwarzen Berge zeigt. Dort reden die beiden Zwergenbrüder Gingadol und Beren über die Situation, in der sie sich befinden. Sie haben gerade durch puren Zufall den Stab des toten Zauberers gefunden. Der Zwergenzauberer sagt zu seinem Bruder, „Wenn wir das in ein Buch schrieben, würde uns das keiner glauben!“

Innerhalb der Welt von Jenseits der schwarzen Berge ist das eine triviale Aussage, er gewinnt aber für den Leser eine zusätzliche Bedeutung, da dieser weiß, dass die beiden Brüder Figuren in einem Buch sind und genau das zutrifft, was die Brüder als so absurd empfinden. Dadurch gewinnt die gesamte Stelle eine ironische Ebene, die einerseits eine gewisse Komik in die Szene bringt, andereseits aber auf die (bewusst gewählte) Klischeehaftigkeit eben dieser verweist.

Es gibt noch zahlreiche andere und komplexere Möglichkeiten, das Prinzip der Dialogizität in den eigenen Texten anzuwenden. Aber auch hier gilt, dass man die Mittel, die man verwendet, in der richtigen Dosierung anwenden sollte, damit das Gesamtwerk einen runden Eindruck hinterlässt.

Der Post für nächste Woche wird mein Beitrag zur Blogdesign-Blogparade der ABS-Leseecke sein.

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