Donnerstag, 6. April 2017
Manchmal wird ein Ertrinkender gerettet
Ich hatte vor nicht allzu langer Zeit ein Gespräch mit einem älteren Arbeitskollegen, der etwas sehr Weises gesagt hat, ohne es selbst wirklich zu bemerken. Es war eigentlich eines dieser Flurgespräche, die man so führt, wenn man unterwegs ist, weil man etwas zu erledigen hat, aber das Ergebnis weißt weit darüber hinaus.
Mein Kollege hatte gerade das Büro betreten und war in mein Zimmer gekommen, um mir guten Morgen zu sagen. Da fiel ihm auf, dass der Ficus auf meinem Schreibtisch neue Blätter hatte wachsen lassen. Das war lange Zeit nicht so, weil er Anfang des letzten Jahres sämliche Blätter abgeworfen hatte und nur noch ein Skelett aus Ästen übrig geblieben war. Die Ursache lag darin begründet, dass ich und meine Kollegen, die sich das Büro mit mir teilen, es zu gut mit dem Baum gemeint hatten. Wir hatten nicht abgesprochen, wer in den Wintermonaten den Baum gießen sollte und so hatte jeder ordentlich Wasser in den Blumentopf geschüttet. Die Folge davon war, dass er schlicht ertrunken war. Mein Arbeitskollege meinte jedenfalls:
"Oh, der hat sich aber gut erholt! Hat ja wieder richtig viele Blätter. Das war ja nicht immer so."
"Wir haben es damals zu gut mit dem Baum gemeint. Jeder hatte gedacht, die Anderen hätten den Baum nicht gegossen und so ist er dann ertrunken."
"Ah, das erklärt Einiges. Der sah ja nicht mehr ansehnlich aus, so als Gerippe. Ich hab mich gewundert, dass Sie den damals nicht einfach weggeschmissen haben."
"Ich wollte den Baum nicht einfach aufgeben – Jeder hat eine zweite Chance verdient."
Mein Kollege sah sich den Baum einige Sekunden ruhig an, dann sagte er:
"Herr Sandhoff, wissense was, manchmal kann man Ertrinkende retten!"
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1 Kommentar:
Schöne Geschichte! Bin ja selber Pflanzenfreund mit mal mehr,
mal weniger grünem Daumen und irgendwann hat sich bei mir
ergeben, dass meine Bücher immer mit einer Pflanzengeschichte
beginnen. Diese hier hat mir den morgen versüßt.
Beste Grüße aus Düsseldorf,
Recke
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