Dienstag, 23. Oktober 2012

Ein effizienter Arbeitsstil ist alles

Da dieser Post verflucht lang ist, stelle ich euch den Text als PDF und EPUB zum Download zur Verfügung: Beide Dateien stehen unter der Creative Commons Lizenz CC BY-NC-SA 3.0


Wenn man schreiben will, gibt es eine ganze Reihe von Hilfsmitteln, die einen weiterbringen können. Grundsätzlich gilt aber, dass einem das beste Tool nichts nutzt, wenn man damit nicht umgehen kann. Entscheidend ist, dass man für sich einen effizienten Arbeitsstil findet, der das Projekt, dass man sich vorgenommen hat, auch wirklich voranbringt.

Insofern ist es eine zweischneidige Sache, wenn man sich an der Arbeitsweise von anderen orientiert (zumindest dann, wenn man versucht, diese Arbeitsweise unhinterfragt zu übernehmen). Was als Strategie für den einen Menschen wunderbar funktioniert, muss für einen Anderen noch lange nicht sinnvoll sein. Die Vorgehensweise eines Anderen einfach zu übernehmen würde bedeuten, den Zeigefinger, der auf den Mond zeigt (die Arbeitsweise), mit dem dem Mond (der Arbeit) selbst zu verwechseln. Trotzdem möchte ich euch  die Arbeitsweise vorstellen, die für mich gut funktioniert. Eigentlich sind es tatsächlich zwei verschiedene Arbeitsweisen, je nachdem, wie lang der Text ist, den ich schreiben möchte.

Kurze Texte, Artikel, Posts.


Wenn ich einen kurzen Artikel oder einen Blog-Post schreibe, beginne ich immer damit, eine rohe Fassung des Textes in eines meiner Notizbücher zu schreiben (von denen ich ja so viele habe, wie jeder weiß, der den Post „Alle Dinge sind leer“ gelesen hat. Dabei geht es nicht darum schon in dieser ersten, handschriftlichen Fassung einen perfekten Text zu schreiben, sondern möglichst schnell alle Gedanken zu Papier zu bringen, die mir zu dem Thema durch den Kopf gehen (kürzen und ordnen kann man auch später noch). Ich könnte natürlich auch einen Texteditor benutzen, weil ich mich durch das Schreiben auf Papier besser auf den Text fokussieren kann und ich das Notizbuch nicht erst hochfahren, mich anmelden und den Editor öffnen muss. Außerdem ist Papier (vor allem, wenn es als Buch gebunden ist) nicht so flüchtig wie elektronische Datenträger - abgesehen von dem Fall, wenn man das Buch abfackelt).

Wenn die erste Rohfassung fertiggestellt ist, produziere ich das Drumherum wie zum Beispiel Bilder, Screenshots, Grafiken, Logos etc. Dann wird das Handgeschriebene in einem schlichten Editor wie Q10 (Abb. 1), Focuswriter  oder Sublime Text (siehe Abb. 2), weil diese eine minimalistische Oberfläche haben, die dem Schreiben nicht im Weg steht.
 
Abb. 1: Der Fullscreen-Editor Q10

Sublime Text schätze ich für das Schreiben längerer Texte, weil ich mit der Minimap schnell durch eine große Textmenge navigieren kann und sehe, wie der Text läuft (zu kurze oder zu lange Absätze etc.).

Abb. 2: Sublime Text 2


Focuswriter benutze ich gerne für Texte, bei denen ich schon ein grobes Layout mit Textauszeichnungen brauche (Abb. 3).

Abb. 3: Focuswriter


Fullscreen-Editoren haben generell den Vorteil, dass man nicht durch irgendwelchen graphischen Firlefanz abgelenkt wird und durch die reduzierte Anzahl an Features die Ladezeit wirklich klein ist. Ein bisschen mag das auch Nostalgie sein, weil die Fullscreen-Editoren mich an meine erste Textverarbeitung auf dem C64 erinnern - man kann das wohl unter Retrofeeling ablegen. Ist der Text dann fertig geschrieben, kopiere ich ihn in den Online-Editor von Blogger und lese das Ganze vor dem Veröffentlichen noch einmal Korrektur.

Längere Arbeiten


Komplexer wird der Arbeitsablauf, wenn es um größere Projekte wie zum Beispiel Bücher geht. Hier beginne ich fast immer damit, auf einem DIN A2-Blatt ein Mindmap (Abb. 4) mit allen Assoziationen, die mir zu dem Thema einfallen, zu zeichnen. Daraus entwickle ich einen Plot / eine Gliederung, der / die mir als weitere Orientierung dient.

Abb. 4: Mindmap für eine Fantasy-Story


Aus meiner Erfahrung als Lektor weiß ich, dass die Manuskripte, die zwar mit Enthusiasmus, aber ohne Plan geschrieben werden, in der Regel die sind, die die größten Probleme verursachen (bis hin zu dem Moment, an dem man im Namen des Autors fasst das ganze Buch neu schreiben müsste, was aber so gut wie nie geschieht, weil solche Manuskripte so gut wie immer nach dem Durchblättern der ersten paar Seiten im Altpapier landen).



Nach dem Plot mache ich mir eine To-Do-Liste. Dazu benutze ich entweder ein paar zusammengeheftete Zettel (absturzsicher!) oder die App Mobislenotes auf meinem Android-Tab (Abb. 5). Dort trage ich ein, welche Punkte ich für mein Projekt abarbeiten muss. Dazu genügt mir eine einfache To-Do-Liste, in der ich Aufgaben und Unteraufgaben eintragen kann. Eine komplexe Projektverwaltung mit Zeit- und Budgetplanung, Ressourcencheck usw. wäre für Ein-Personen-Projekte, wie ich sie mache, auch etwas übertrieben.

Abb. 5: Mobislenotes und ein Zen-to-Done-Timer


Sobald der Plot und die To-Do-Liste stehen, geht es an die Recherche. Dazu nutze ich zunächst die Ressourcen, die ich vor Ort habe, also meine Bücherregale und die Dokumentensammlung auf meinem Rechner sowie meine Notizbücher. Erst dann beginne ich mit der Internet-Recherche, da ich für mich festgestellt habe, dass man, wenn man mit der Internetsuche zuerst anfängt, sich schnell auf der Jagd nach Dokumenten verliert.

Recherche


Indem ich mich auf meinen bestehenden Fundus stütze, kann ich später gezielter nach den Informationen suchen, die  mir noch fehlen. Dabei halte ich mich an folgende Faustregel: E-Books (Epubs und PDFs) und Artikel von Universitäten und Non-Profit-Organisationen sind am ehesten vertrauenswürdig, dann folgen journalistische Angebote wie der Spiegel oder die Zeit, darauf private Websites und schließlich Foren-Einträge und Social-Media-Sites.

Grundsätzlich gilt, dass man sich niemals auf eine Quelle allein stützen kann, wenn man nicht Gefahr laufen will, manipuliert zu werden. Man muss immer gegenchecken, welche Informationen Andere zu diesem Thema bereitstellen und vor allem analysieren, ob das was dort gesagt wird Sinn macht oder nicht. Das ist gute journalistische Praxis und auch für fiktionale Werke nicht schlecht (Abgesehen davon ist ein gesundes Misstrauen auch in allen anderen Lebenssituationen praktisch, wenn man nicht Gefahr laufen will, verarscht zu werden).

Alle Fundstücke, die ich während meiner Recherche finde, werden so schnell wie möglich in passende Kategorien abgelegt. Ausdrucke und Fotokopien landen in Eckspannermappen, die einen festen Platz in meiner für Projekte vorbehaltenen Regalecke bekommen. Fundstellen aus Büchern erhalten eine kurze Notiz auf einem Post-it-Zettel, der an der entsprechenden Stelle eingeklebt wird. Für Ebooks und PDFs nutze ich Calibre (Abb. 6 zur Verwaltung, bzw. um Mobil zu bleiben den Moon+- und den Aldiko-Reader auf dem Tablet (der Tower lässt sich so schlecht auf die Wohnzimmercouch mitnehmen).

Abb. 6: Calibre als Dokumentenverwaltung


Zum Schluss der Recherche schreibe ich mithilfe des Plots ein ausführliches Exposee, in das erste Überlegungen zum Aufbau des Textes und Zitate aus den gesammelten Materialien einfließen. Das ist letztendlich der konkrete Plan, an dem ich mich für den weiteren Ablauf des Schreibprozesses orientiere. Man könnte auch Storyboards zeichen, was ich aber noch nie getan habe, weil sich bis jetzt noch nicht die Gelegenheit dafür ergeben hat. Ich bin mir aber sicher, dass sich die Storyboard-Methode für visuell denkende Menschen besser eignet als das abstrakte Planen anhand eines Exposees.

Organisation ist alles


Nachdem ich die Recherche beendet habe, schreibe ich in eine Kladde handschriftlich den ersten Entwurf. dabei geht es nicht darum, gleich beim ersten Mal einen perfekten Text zu schreiben, sondern schnell alle Einfälle zu Papier zu bringen, die mir zu dem Thema kommen. Perfektionismus wäre in diesem Stadium nur schädlich. Man wird schlicht dadurch besser, dass man viel schreibt. Mit jedem neuen Projekt nähert sich der erste Entwurf immer mehr dem Endprodukt (schließlich erwartet man ja auch nicht von Jemanden, der noch nie gelaufen ist, dass er gleich einen Marathon läuft). Wie bei allen Dingen im Leben wird man nur durch ständiges Üben richtig gut.Wenn der erste Entwurf geschrieben ist, wird das ganze Projekt abgetippt und die gröbsten Ungereimtheiten beseitigt. Ist der Text schließlich im Rechner, drucke ich den Text aus und lasse ihn ein bis zwei Tage liegen. Dann erst beginne ich mit dem Korrekturlesen. Anschließend werden die Korrekturen in den Text eingearbeitet und das Ganze einem kompetenten Freund zum Gegenlesen gegeben. Hat dieser das Buch auf Unstimmigkeiten und Fehler abgesucht, pflege ich dessen Anmerkungen in das Manuskript ein. Es ist besonders wichtig, diesen zweiten Schritt einzulegen, da ein Zweitkorrektor die Fehler sieht, die einem selbst nicht mehr auffallen. Anschließend geht das Ganze in den Satz (Ich benutze Scribus für feste Layouts und LibreOffice mit dem Plugin „writer2xhtml“ für Epubs | Abb. 7) in dieser Phase werden auch die Bilder usw. in den Text eingebaut. Ist alles zusammengefügt, wird der Text ein drittes Mal auf Fehler abgesucht, die mir entgangen sein sollten oder durch den Satz entstanden sind (falsche Trennungen, fehlerhafte Absätze, Schusterjungen und Hurenkinder, falsche Formatierungen etc.). Danach sollte der Text auf der formalen Ebene zu 99% fehlerfrei sein, was natürlich niemanden daran hindert, inhaltlich völligen Unsinn zu schreiben.

Abb. 7: Das Plugin Writer2xhtml macht LibreOffice zum Autorensystem für Epubs

(Korrektur-)Lesen hilft!


Man kann sich nun fragen, „Warum der ganze Aufriss mit dem Korrekturlesen? Sind vier Durchläufe nicht zuviel?“ Darauf lässt sich am besten mit einem Sinnspruch antworten:

Eine Kathedrale baut man nicht, indem man ein paar Bretter zusammenzimmert.

Gerade bei einem Buch ist es immens wichtig, dass es korrekturgelesen wird, vor allem dann, wenn man die Absicht hegt, das Manuskript bei einem Verlag unterzubringen. Nur wenn ein Manuskript wirklich sauber ist, hat es überhaupt eine Chance, als veröffentlichungswürdig angesehen zu werden. Der Grund ist einfach: Wenn bei einem Lektor täglich rund fünf Manuskripte im Postfach landen, reisen die Texte, die voller Fehler sind, nach ein oder zwei Blicken direkt in die Ablage P und wer will schon für den Mülleimer schreiben, auch wenn er nur virtuell ist? Man kann jedenfalls nicht darauf hoffen, dass der Lektor beim Lesen die gleiche Inspiration fühlt, die der Autor beim Schreiben empfunden hat.

Das gilt natürlich auch für Bücher, die man selbst herausgibt. Da hier in der Regel keine professionelle Instanz dazwischengeschaltet ist, landen alle Fehler, die man vorher gesehen nicht hat, im fertigen Produkt. Tatsache ist, dass ein Buch, in dem dem Leser die Fehler en Masse entgegenspringen, keine gute Visitenkarte für einen Autor ist. Es ist sicher, dass die Leser ein schlecht gemachtes Buch von diesem Autor kaufen und danach nie wieder eines: Schlamperei bleibt am Autor kleben wie Pech. Es sollte klar sein, dass mit einem schlampig geschriebenen und ohne Korrekturlesen veröffentlichten Buch jede Chance begraben wird, jemals bei einem traditionellen Verlag veröffentlicht zu werden.

Professionell schreiben!


Langer Rede kurzer Sinn: Ganz gleich, was man schreibt, man sollte so professionell wie möglich schreiben. Gut organisiert zu sein ist immens wichtig. Dafür muss man sich die Werkzeuge heraussuchen, die einen bei der Arbeit voranbringen. Korrekturlesen ist Pflicht, vorallem dann, wenn man nicht nur für das eigene Tagebuch schreibt sondern etwas veröffentlichen will, was andere lesen (wollen) sollen.

4 Kommentare:

Bernd B. Badura hat gesagt…

Also ich habe zwar eine andere Arbeitsweise als du, benutze andere Tools und bereite mich auch anders vor, aber deinen Aussagen kann ich nur beipflichten. Vor allen den letzten Absatz kann ich ohne zu zögern unterschreiben.

Jacy hat gesagt…

Danke für diesen tollen Beitrag! Ich habe zwar noch nie ein Buch geschrieben, aber da ich im Moment ein Storyboard zeichne und dazu natürlich auch ein Drehbuch bzw. Plot schreiben musste, hat mir dein Beitrag geholfen, um vielleicht noch ein Mal einige Sachen zu überdenken und zu überarbeiten ;-)

Jana hat gesagt…

Ach Mensch, ich les mich hier bei Dir echt fest. Das ist ein toller, ausführlicher Beitrag und gerade die Sache mit dem Korrekturlesen ist wirklich wichtig. Ich stöbere öfters mal auf Bookrix und was da an Büchern zu finden ist, treibt mir die Tränen in die Augen. Ich habe es noch nicht geschafft, dort ein Buch weiter als bis Seite 2 zu lesen.

Jörg Siefke-Bremkens hat gesagt…

Hallo Jana,
Das stimmt, was auf Bookrix steht ist manchmal echt unterirdisch.

Eine gute Übung ist übrigens, eine von diesen Geschichten zu nehmen und zu schauen, wie man's besser machen kann (leider lässt sie sich dann nicht veröffentlichen, weil's ja nicht von einem selbst ist).