Mittwoch, 16. Januar 2013

Oh Gott, wer schreibt so'n Scheiß.


Ich fürchte nicht den Mann, der tausend Schläge einmal geübt hat. Ich fürchte den, der einen Schlag tausend Mal geübt hat.
- Bruce Lee


Der Autor starrte seinen Bildschirm mit einem Blick leeren Hasses an, betrachtete das 
unmögliche Geschreibsel, das er produziert hatte, sah den Cursor als blinkende Marke seines Versagens. Sie schien ihn herauszufordern:, "Nun komm schon, du Looser, schreib doch - am Besten was Vernünftiges, etwas, das jemand außer dir lesen will. Oder schaffst du das nicht?"

Mit Sehnsucht dachte er an die Weinflaschen in seinem Keller, die ihm schon oft Trost gespendet hatten, als ihm das Blatt angestarrt hatte. Heute war das weiße Blatt nicht sein Problem. Herrgott! Er war Schriftsteller und Schriftsteller schreiben, auch wenn's Scheiße auf Papier ist, verdammt. Außerdem waren ihm all die Kollegen eingefallen, die durch ein allzu inniges Verhältnis zum Alkohol zu Tode gekommen waren. - Er hatte jedenfalls keine Lust, am Ende seiner Kellertreppe gefunden zu werden oder sich beim Öffnen einer Weinflasche den Schädel an der Kante seiner Wohnwand einzuschlagen. "Manchmal muss man dem Pferd die Peitsche geben, vor allem, wenn man selbst das Pferd ist.", dachte er bei sich und schloss seine Augen. Als er sie wieder öffnete, begann er zu schreiben.

Mist ist der Dünger, auf dem Neues wachsen kann. Das gilt ebenso für den Garten wie auch für die Schriftstellerei. Man sieht allrdings meistens nichts davon, wenn man einem Schriftsteller zum ersten Mal in Form seiner Werke begegnet. Man sieht nur das fertige Produkt einer langen Entwicklung und ist schnell von dem Eindruck geblendet, den das Buch (hoffentlich) gemacht hat. Man sieht die vielen Fehlschläge, nicht zuende gebrachten Entwürfe und die Enttäuschungen nicht, die diesem einen Erfolg vorausgegangen sind. 

Tatsächlich ist eine der wichtigsten Eigenschaften, die einen professionellen Schreiber von einem Amateur unterscheiden, ist, dass er auch dann weiterschreibt, wenn ihm seine Arbeit weder Freude noch Sinn gibt. Eine gute Möglichkeit, Durchhaltevermögen zu lernen bzw. zu beweisen, ist die Mitarbeit bei einer Zeitung. Dort muss man oft unter Zeitdruck über Dinge schreiben, die weder spannend noch im entferntesten literarisch anspruchsvoll sind, auch wenn man an ihnen nicht die Bohne interessiert ist - Die Sitzung des Kaninchenzüchter- oder Vorortschützenvereins sind Beispiele dafür. 

Ob man den Text nun mag oder nicht, für eine Zeitung zu arbeiten und damit einen festen Zeit- und in der Regel festen Textrahmen zu haben, erzieht nicht nur dazu, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, sondern auch dazu, seine Vorstellungen vom idealen Text über Bord zu werfen. Man hat seine Fristen zu erfüllen, ganz gleich, was man von seinem Text hält. Eine ähnliche Haltung sollte man an den Tag legen, wenn man es als Autor ernst meint. 

Professionell zu sein bedeutet nicht, perfekt zu sein, sondern auch dann weiterzuarbeiten, wenn man denkt, dass das, was man zu Papier bringt, billiger Müll ist. Wie so oft ist das Ideal der Feind des Möglichen. Wir vergleichen uns selbst mit dem was wir sein wollen oder mit den Vorbildern, denen wir nacheifern, ohne darauf zu achten, was wir sind und an welchem Punkt unserer Entwicklung wir uns befinden. So zu handeln ist, als ob man an das Ziel einer Reise kommen, ohne einen einzigen Schritt gegangen zu sein oder so, als ob man Äpfel pflücken wollte, bevor man einen Baum gepflanzt hat. Stattdesse  sollte man sich auf das konzentrieren, was man eigentlich als Ziel im Auge gehabt hat: zu schreiben.

Einzig und allein die beständige Übung verschafft einem Autor das Wissen, das er braucht, um gut schreiben zu können. Dazusitzen und auf die Inspiration zu warten ist jedenfalls nicht hilfreich und führt zu nichts. Letztendlich ist jeder schlechte Text ein weiterer Schritt dahin, besser zu werden. Man sollte mit sich selbst nicht so hart ins Gericht gehen und froh sein, wenn man an einem schlechten Tag überhaupt etwas zu Papier gebracht hat, denn eine Reise von tausend Meilen macht man Schritt für Schritt.

2 Kommentare:

Herr Ackerbau hat gesagt…

Gleiche Erfahrung, in anderem Zusammenhang: Der beste Rat für meine Examen war immer: Man muss keine Lust zum Lernen haben, man muss nur damit anfangen. Deadlines und externer Zwang sind manchmal die besten Helfer....

Jörg Siefke-Bremkens hat gesagt…

Hallo Ackerbau,

danke für deinen Kommentar! Natürlich hast du recht, was für das Schreiben gilt, gilt ebenso für viele andere Dinge, die wir tun. Es gibt bei fast jeder Sache, die wir tun, immer eine Phase, in der man das Gefühl hat, dass, was man tut ist die größte Zeitverschwendung/Dummheit/Scheiße, die man je verbrochen hat. Meistens ist das aber auch der Punkt, an dem man kurz vor dem Durchbruch steht, aber nur noch nicht den richtigen Dreh gefunden hat, um weiter voranzukommen. Ich denke, dass die Fähigkeit, auch dann weiterzumachen, wenn man nicht recht vorankommt, die Leute die in dem, was sie tun Erfolg (und damit meine ich nicht kommerziell Erfolg haben) haben, von denen trennt, die erfolglos bleiben.

Viele Grüße, Georg.